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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 21/2021
Der Inhalt:
Politik & Gesellschaft

Pro und Contra
Ist Thomas de Maizière der richtige Kirchentagspräsident?

Der ehemalige Innenminister wird oberster Repräsentant des Kirchentags 2023 in Nürnberg. Dabei hat er eine Asylpolitik betrieben, die auf scharfe Kritik der Kirchen stieß. Passt das zusammen?
vom 02.11.2021
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Thomas de Maizière: Der Richtige, um Zukunft, Aufbruch und Jugend vermitteln? (Foto: Wikimedia/Olaf Kosinsky (kosinsky.eu) CC BY-SA 3.0-de)
Thomas de Maizière: Der Richtige, um Zukunft, Aufbruch und Jugend vermitteln? (Foto: Wikimedia/Olaf Kosinsky (kosinsky.eu) CC BY-SA 3.0-de)

Stephan Reichel:

Nein, seine Politik war unchristlich!

Viele in unserer Kirche sind fassungslos über die Wahl von Thomas de Maizière zum Präsidenten des nächsten Evangelischen Kirchentags. Ein Kirchentagspräsident sollte ein Mann der Moderation und des Zusammenführens sein. Er sollte ein politischer Brückenbauer sein und eine zukunftsgewandte und weltoffene Kirche vertreten. Und er sollte nicht zuletzt ein tätiger Christ sein, der auch das zentrale Gebot unseres Glaubens, der Aufnahme von Fremden aus dem Matthäusevangelium ernst nimmt.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 21/2021 vom 05.11.2021, Seite 8
Die Enttäuschung
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All das ist und war de Maizière nicht. Er hat seit 2014 als Innenminister maßgeblich die rechtspopulistische Stimmung mit Worten und Taten befeuert und eine Asylpolitik der Abgrenzung und Ausgrenzung eingeleitet. Nicht diese Politik, sondern die kurze Öffnung der Grenzen für die in Ungarn gestrandeten Syrer und Afghanen bereut er heute. Auf sein Konto gehen die unverantwortlichen Abschiebungen in das angeblich sichere Afghanistan oder in Dublin-Länder wie Ungarn, Bulgarien oder Rumänien, wo Flüchtlinge bis heute schwere Gewalt und Gefängnis erleben. De Maizière hat immer wieder Flüchtlinge und ihre Helfer diffamiert und herabgesetzt.

Als die Kirchen mit zahlreichen Kirchenasylen die schlimmsten Härten seiner Asylpolitik auffingen und die Opfer seiner Politik schützten, hat er die jahrtausendealte Tradition des Kirchenasyls als »Scharia« geschmäht. Wie kann der ausgemusterte Vertreter einer gescheiterten Politik, die gerade abgewählt wurde, Zukunft, Aufbruch und Jugend vermitteln?

Die Wahl ist geschehen. Nun sollte wenigstens eine kritische Reflexion der unmenschlichen Hardliner-Politik vor und auf dem Kirchentag breiten Platz bekommen.

Katrin Göring-Eckardt:

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Ja, er stellt sich als Christ der Debatte!

Dieses Kirchentagspodium ist mir in lebendiger Erinnerung: Dresden 2011. Es ging um Krieg und Frieden. Kann man ihn schaffen ohne Waffen, ist Gewalt ein Mittel zur Konfliktlösung? Bunte Dona-nobis-pacem-Hoffnung traf auf die schmerzhaft dunkle Realität einer hassdurchwirkten Welt; fragende Nachdenklichkeit forderte moralische Gewissheit heraus. Zu erleben war der Kirchentag von seiner besten Seite, mit einem leidenschaftlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte über die Rolle der Bundeswehr. Im Dialog mit dem damaligen EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider war Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Sichtlich bewegt vom jüngsten Anschlag auf deutsche Streitkräfte in Afghanistan agierte er als überaus klar positionierter Politiker, aber auch als Christ, der um verantwortliche Entscheidung ringt, fehlbar ist und mitunter sehr allein mit seinem Gott.

Es ist Anspruch des Kirchentags, Menschen verschiedener Überzeugung in Dialog zu bringen und Ermöglichungsraum zu sein für den kritischen Diskurs. Thomas de Maizière löst das ein. Er stellt sich immer wieder der Debatte, bereichert sie mit seiner Expertise und setzt sich der Kritik aus – so auch 2015 auf dem Kirchentag in Stuttgart, wo er als Innenminister übers Kirchenasyl diskutierte. Er ist der Kirchentagsbewegung eng verbunden. Er prägt und unterstützt sie lange schon, mit ganzer Kraft und aus vollem Herzen.

Thomas de Maizière ist ein Kirchentagsmensch. Tief verwurzelt im Glauben, lebendig in der persönlichen Begegnung, streitbar in der Sache. Sehr passend, dass er nun den Kirchentag repräsentiert, der auch in Zukunft Kontroverse zulassen, Gemeinschaft ermöglichen und Spiritualität erfahrbar machen will.

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Personalaudioinformationstext:   Stephan Reichel war Kirchenasyl-Koordinator der bayerischen Landeskirche. Nun ist er Vorsitzender des Vereins »matteo – Kirche und Asyl« in Nürnberg.

Katrin Göring-Eckardt ist kommissarische Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion. 2011 war sie Präsidentin des Evangelischen Kirchentages in Dresden.
Die Umfrage ist vorbei: so haben unsere Leser abgestimmt!

Ist Thomas de Maizière der richtige Kirchentagspräsident?

Der ehemalige Innenminister wird oberster Repräsentant des Kirchentags 2023 in Nürnberg. Dabei hat er eine Asylpolitik betrieben, die auf scharfe Kritik der Kirchen stieß. Passt das zusammen?
85 x Ja, er stellt sich als Christ der Debatte
189 x Nein, seine Politik war unchristlich!
insgesamt abgegebene Stimmen: 274
69%
Schlagwörter: Kirchentag Präsident
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Susanne Philipp 03.12.2021:
Als Adoptivmutter eines Jungen aus Afghanistan bin ich entsetzt über die Ernennung von Thomas de Maizière zum Kirchentagspräsidenten. Er trug maßgeblich dazu bei, dass zutiefst verzweifelte Menschen in Krieg, Terror und Tod nach Afghanistan abgeschoben wurden. Mit der evangelischen Kirche möchte ich nichts mehr zu tun haben. Weder jetzt noch in der Zukunft! Schade.

Johannes Haak 03.12.2021:
Wie überzeugend sollen jetzt noch die Erklärungen unserer Kirche zugunsten von Flüchtlingen, der Unterstützung der Seenotrettung im Mittelmeer und der Kritik an den stetig sich verschärfenden Asylrechtsbestimmungen sein, wenn gleichzeitig ein für diese Verschärfungen maßgeblich Verantwortlicher zum Sprecher der Kirchentagsbewegung gewählt wurde, die Millionen von engagierter Christinnen und Christen vertritt? Wohin geht der Kirchentag?

Georg Lechner 16.11.2021, 18:37 Uhr:
Bei seiner Anbiederung an die anti-emanzipatorische Position der Rinnsteinblätter ist seine Wahl nicht eben ein einladendes Zeichen an die Welt.

Elke Schumacher 05.11.2021, 17:27 Uhr:
Unfassbar, diese Wahl!Die Äußerungen von Frau KGE teile ich überhaupt nicht. Auch mir ist der Kirchentag 2011 noch in guter Erinnerung. Schon damals fiel auf, dass sie als Kirchentagspräsidentin und Herr de Maiziere sich gegenseitig hochjubelten. Beide stehen für kirchlich-politisch enge Netzwerksgruppen, die sich gegenseitig puschen und die Macht behalten wollen. Seither hat sich einiges geändert, sollte man meinen. Christ ist man nicht, wenn man einen "Ermöglichungsraum für den kritischen Diskurs" einlöst,was immer solch Geschwurbel aussagen soll, sondern wie er handelte und handelt! Und da gebe ich Herrn Reichel völlig recht und den bisherigen Kommentaren!Hat Herr dM. nicht selbst gesagt, sein politisches Handeln habe nichts mit seinem Christsein zu tun? Es wird Zeit, dass die im Grundgesetz geforderte Trennung von Kirche und Staat endlich eingelöst wird. Nur so werden die Kirchen eine wirkliche Erneuerung beginnen, alles andere ist Augenwischerei bei der Pöstchenjagd!

Susanne Philipp  05.11.2021, 10:15 Uhr:
Als Adoptivmutter eines Jungen aus Afghanistan bin ich entsetzt über diese Ernennung von Thomas de Maizières zum Kirchentagspräsident. Er trug maßgeblich dazu bei, das zutiefst verzweifelte Menschen in Krieg, Terror und Tod nach Afghanistan abgeschoben wurden. Er trug maßgeblich dazu bei, das Menschen hier in Angst und Schrecken versetzt wurden. Er trug maßgeblich dazu bei, das Menschen, die sich für Geflüchtete eingesetzt haben in Verzweiflung gestürzt wurden durch diese inhumane Asylpolitik und die völlig falsche Einschätzung über die Realität in Afghanistan. Diese Wahl hat bei mir maßgeblich dazu beigetragen, das ich mit der evangelischen Kirche nichts mehr zu tun haben möchte. Weder jetzt noch in der Zukunft..... Schade

Johannes Haak 04.11.2021, 17:50 Uhr:
Diese Entscheidung stößt bei vielen Menschen, die sich seit Jahrzehnten für Geflüchtete in Deutschland und weltweit, insbesondere für Flüchtlinge, die in Marokko an der EU-Außengrenze stranden,engagieren, auf großen Widerstand.
Wie wirksam und überzeugend sollen jetzt noch die Erklärungen unserer Kirche
zu Gunsten von Flüchtlingen, der Unterstützung der Seenotrettung und
Lebensrettungsmaßnahmen im Mittelmeer, der Stellungnahmen zu der
menschenrechtsverletzenden Politik Europas, der Kritik an den stetig sich
verschärfenden Asylrechtsbestimmungen auch in Deutschland sein, wenn gleichzeitig
ein für diese Verschärfungen maßgeblich Verantwortlicher, in seiner Zeit als
Innenminister, jetzt zum Sprecher der Kirchentagsbewegung, die Millionen von
engagierter Christinnen und Christen vertritt, gewählt wurde?
Wohin geht der Kirchentag? Mit freundlichen Grüßen Johannes Haak

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