Musiktipp
Vom Mut zur Vergebung
Musik. Peter Gabriel, einst Sänger der Band Genesis, hat 21 Jahre gebraucht, um mit »i/o« ein Album mit neuen Songs zu veröffentlichen. Der als Perfektionist geltende 73-Jährige veröffentlichte 2023 zu jedem Vollmond eines der insgesamt zwölf Stücke. Warum? Weil die »Menschen vergessen haben, woher sie kommen«, sagt er. Und jeder »Teil von allem« sei.
Das Werk handelt denn auch vom großen Universum, vor allem aber vom Diesseits, der allgegenwärtigen Überwachung, von Krieg und von Vergebung als Bedingung für Frieden. Nicht zuletzt umspielt es das Mysterium der Liebe. Etwa im Stück »Love can heal«: Wenn alles, was Halt gab, weggebrochen ist und man schutzlos dasteht, kann Liebe heilen, heißt es dort. »And still« widmet er seiner 2016 verstorbenen Mutter. Explizit religiös zeigt sich Gabriel nicht. Gleichwohl: »Wenn ich an Gott denke, bin ich Buddhist, wenn ich voller Schmerz und Verzweiflung bin, bin ich Christ«, sagte er einmal. Mit den Schattenseiten von Religionen befasst sich der Song »Four kinds of horses«. Es gebe eine Verbindung zwischen Religion und Frieden, aber auch Gewalt und Terrorismus, sagt Gabriel zum Stück.
Im finalen, grandiosen »Live and let live« geht es um Vergebung. Das Stück ist ein Tribut an Desmond Tutu und Nelson Mandela, der nach 27 Jahren in Haft als Präsident von Südafrika mit seinen einstigen Peinigern zusammenarbeiten musste. »Mandela wusste, dass, wenn er ihnen nicht hätte vergeben können, er für den Rest des Lebens ihr Gefangener geblieben wäre«, sagt Gabriel. In Songpoesie: »Legt die Waffen nieder / Es braucht Mut / Zu lernen, zu verzeihen / Mutig genug sein, um zuzuhören / Zu leben und leben zu lassen.« Ein »poetisches Evangelium der Gegenwart« nannte ein Rezensent die Texte des Albums zu Recht. Dazu gebettet in feinste Klänge, lange gereift.
? Peter Gabriel: i/o. Universal Music Group