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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 2/2018
Der Inhalt:

Grausamer Alltag des Krieges

von Eva-Maria Lerch vom 26.01.2018
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Tagebuch. Die Handschrift ist fahrig, oft riesig, zuweilen quer und schief. Man sieht ihr den stumpfen Bleistiftstummel an, mit dem sie geschrieben wurde, man ahnt die ruckelnde Ladefläche von Militärfahrzeugen, auf denen der Soldat beim Schreiben gesessen, die klammen Finger, mit denen er die Seiten beschrieben hat: die Tagebücher von Heinrich Böll, die er in den Jahren 1943 bis 1945 als Soldat im Zweiten Weltkrieg geführt hat. Bölls angestammter Verlag Kiepenheuer & Witsch präsentiert diese drei Hefte nun als Faksimile. Man sieht die notdürftig zusammengeklebten Einbände mit den abgestoßenen Ecken, schaut in die vergilbten Seiten mit den originalen Schriftzügen von Heinrich Böll. Weil seine Schrift oft schwer zu entziffern ist, wird der Text im unteren Teil der Seite in Druckschrift übertragen. Die meisten Einträge in diesen Tagebüchern sind kryptisch und stakkatohaft: »Die Appelle – Der Major – Abmarsch«. An vielen Tagen notiert Böll wenig mehr als: »lange, lange Stunden draußen in der Kälte«, »nachmittags das entsetzliche Waffenreinigen« oder »Entlausung!« Häufig bringt er sein Elend auf kurze Begriffe: »Durst«, »Fieberanfall«, »Meine Strümpfe. Der Geruch von 14 Tage altem Blut.« Schließlich: »Jammer! Blut und Feuer!« Dazwischen taucht ständig ein Name auf, in großen Buchstaben und fast immer mit Rufzeichen: »Anne-Marie!« Der einsame Soldat ruft nach seiner jungen Frau, die er 1942 im Heimaturlaub geheiratet hat, er beschwört ihren Namen auf fast jeder Seite: »Anne-Marie! Ich komme zu Dir, Du, ich komme zu Dir, ach bestimmt.« Neben der großen Liebe zu der Frau, mit der Heinrich Böll sein ganzes Leben geteilt hat, ist es der Glaube, an dem der junge Katholik aus Köln sich festhält. »Gott lebt!«, schreibt er häufig in sein Tagebuch. »Gott hilft immer.« Und manchmal: »Sonntag – Messe! – Kommunion! – Hoffnung«. Nein, diese Tagebücher sind keine lyrischen Werke, sie dokumentieren nichts als die grausame Banalität des Krieges. Gerade das macht sie so ergreifend. Die Erfahrungen, die hier so bruchstückhaft notiert sind, haben den Autor zeitlebens zum glühenden Kämpfer gegen den Krieg gemacht – und sind in seinen Romanen zu großer Literatur geworden.

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