Leserbrief
Das andere anerkennen
Zu: »Feinde brauchen Hoffnung« (24/2023, Seite 32-35)
Denkfaul« ist nach Auffassung des Historikers und Bestsellerautors Yuval Noah Harari, Professor an der Hebrew University in Jerusalem, jeder, der sich mit seinem Mitgefühl und in seinem Denken auf eine Seite des Konfliktes stellt und damit die Komplexität des aktuellen Geschehens, die zivilen Opfer auf beiden Seiten und die lange Vorgeschichte der Attacke der Hamas vernachlässigt. Wenn Martin Leiner das unterschreibt, was Harari da beschreibt, dann muss ich ihm Denkfaulheit vorwerfen, denn er stellt sich in diesem Artikel eindeutig auf die Seite Gazas und nicht Israels. Als großer Wurf wird für Verhandlungen plädiert, gegen Kriegseinsatz. Das mag richtig sein, dann muss er aber auch darüber aufklären, dass das auf Kosten Israels ginge, wie damals bei den Nazis. Auch damals hat die Welt verhandlungsgerecht weggeschaut, was mit den Juden wirklich geschah. Auch hat er mit keinem Wort beschrieben, was den Israelis am 7. Oktober angetan wurde. Hans Th. Flory, Heidelberg
Dem Artikel von Martin Leiner kann man nur zustimmen. Er hebt sich wohltuend von vielen anderen Artikeln ab, die zu diesem Thema geschrieben werden. Insbesondere die Aussage, dass Versöhnung die Anerkennung des anderen und der eigenen Fehler mit einschließt, ist von größter Wichtigkeit. Dies gilt nicht nur für den Nahostkonflikt sondern auch für andere, zum Beispiel den Ukrainekrieg. Jeder kriegerische Konflikt hat eine Vorgeschichte, an der beide Seiten beteiligt sind. Insofern ist Krieg immer ein Versagen der Politik. Leider wird zurzeit von vielen Seiten – auch vom Westen – eine Politik betrieben, die sich ausschließlich auf eine Seite stellt und die Welt in »Gut« und »Böse« unterteilt. Wird dann auch noch die militärische Option hofiert (Stichpunkt: »Deutschland muss kriegstauglich werden«) ist die Verschärfung von Konflikten und die Gefahr von weiteren Kriegen vorprogrammiert.
Joachim Bayer-Beck, Ingelheim