Christus-Bekenntnis
Messias aus dem Hause Josefs
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Vor etwas mehr als 30 Jahren hat der evangelische Theologe Friedrich-Wilhelm Marquardt ein mehrbändiges Werk verfasst, in dem er sich mit Jesus Christus beschäftigte. Sein Antrieb: Man kann und darf die alten Christus-Vorstellungen nicht mehr weitertreiben, denn sie stehen in direktem Zusammenhang mit der Shoah, der Vernichtung jüdischer Gemeinschaften im Einflussbereich des Nationalsozialismus. Dogmen über Christus boten keinen Widerstand, sondern dienten der Legitimation der Mörder. Gleichzeitig erschütterte ihn, dass nach seiner Beobachtung in den zentralen Lehrbereichen der Kirchen und der Theologien nach wie vor über Israel als Volk Gottes und die jüdische Identität Jesu so geredet wird, als wäre beides abgetan und erledigt. Man hört ihre jüdischen Stimmen nicht.
Marquardt ist heute weithin
Christa Herrmann 23.02.2024:
Wenn Jesus für Wolfgang Treitler nicht mehr Christus ist, wie kann er sich dann noch Christ nennen? Viele seiner Aussagen hinterfrage ich. So zum Beispiel seine Behauptung, dass das Judentum Jesu durch den christlichen Glauben, dass er gleichzeitig »Gott aus Gott« ist, liquidiert wurde. Bereits 1962 hat Karl Rahner einen sehr tiefsinnigen kurzen Artikel mit der Überschrift: »Bekenntnis zu Jesus Christus« geschrieben, in dem er vor allem auf das Verhältnis und die Beziehung von Judentum und Christentum eingeht. In seinen Ausführungen wird völlig klar, dass Israel das auserwählte Volk Gottes ist und bleibt und Jesus ein Jude war und ist. Ich zitiere: »Der, den wir glauben, bekennen und lieben als den Sohn Gottes, als unsere Erlösung und Hoffnung, ist aus ihrem Geschlecht. Und so bleibt es, gerade weil in ihm das Fleisch und nicht die Theologie der Drehpunkt des Heiles geworden ist, wie Tertullian sagt, ewig wahr, was in unserer Schrift als Wort Jesu steht: ›Das Heil kommt von den Juden‹ (Johannesevangelium 4,22)«.
Marianne Levacher 23.02.2024:
Ein junger Mann besucht mich in Begleitung einer mir bekannten Dame, sieht sofort die Menora auf meinem Schrank. Er sagt: »Meine Mutter ist Jüdin«, mehr nicht. Ich sage: »Dann sind Sie Jude.« Er nickt. Ich sage: »Ich bin Christin, lebe von den Lehren Jesus, er, seine Familie waren Juden.« Auf dem Schrank stehen neben der Menora Maria mit dem Kind und Josef mit dem Kind, ich habe beide geerbt von meinen Eltern. Sie sind meine heilige jüdische Familie. Wir Christen lesen an jedem Sonntag im Gottesdienst eine Lesung des ersten Testamentes. Bei seinem nächsten Besuch sagte der junge Mann: »Ich habe noch nie so ein Gespräch wie mit Ihnen geführt.« Er lächelte, war offensichtlich froh. Sprechen wir öffentlich miteinander, es tut gut. Würde unser Sprechen – »Jesus war Jude von Geburt bis zum Tode, wir Christen leben von seinen Lehren« – den Antisemitismus in Deutschland beeinflussen?
Karl-Heinz Graf 23.02.2024:
Es ist tragisch, seit Jahrhunderten hat das Judentum Jesu für die Kirchen keine Bedeutung. Tragisch deshalb, weil durch die kirchliche Interpretation des Neuen Testaments der antijüdische Hass über Jahrhunderte gefördert und zu Zerstörung jüdischer Bethäuser und Verfolgung der »ungläubigen« Juden führte. Tragisch, wenn auch heute der Wille in Lehre und Verkündigung fehlt, das zu benennen, was Martin Luther im Jahr 1523 in seiner Schrift: »Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei«, schrieb: »Und wenn wir gleich hoch uns rühmen, so sind wir dennoch Heiden – und die Juden: von dem Geblüt Christi. Wir sind Schwäger und Fremdlinge; sie sind Blutsfreund, Vettern und Brüder unseres Herrn. Darum, wenn man sich des Bluts und Fleisches rühmen soll, so gehören die Juden Christo näher zu denn wir.«
Hans Torwesten 23.02.2024:
Wenn der Jesus des Johannesevangeliums sagt: »Und ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen« (Joh 8,32), so meinte er wohl keine komplizierten christliche Dogmen, forderte aber sicherlich auch keine enge Bindung an die jüdische Orthodoxie. Auch »Gottessöhne« sind lernfähig. Bei der ersten »Aussendung« verbot Jesus seinen Jüngern, auf den Straßen der Heiden und Samariter zu gehen, denn er sei nur zu den verlorenen Schafen Israels gesandt. Der Auferstandene sah das wohl nicht mehr so eng. So fragwürdig die spätere Auffassung von einem »Christkönig«, die ja auch mit Imperialismus und Kolonialismus einherging, und so entsetzlich der Antisemitismus war und ist – die befreiende Botschaft Jesu geht ins Weite und betrifft unsere wahre Natur, während die ausschließliche Bindung an die jüdische Orthodoxie eine Engführung ist.
Andreas Echternkamp 23.02.2024:
Ich teile die Ablehnung Wolfgang Treitlers von einer christlichen Dogmatik, die Jesus zum Gottmenschen im Sinne eines überirdischen Wesens erklärt. Aber ich möchte anders als er das Zeugnis des Neuen Testaments und der christlichen Dogmatik so weit ernst nehmen, dass Gott sich uns Menschen in dem Menschen Jesus (der Jude war) ganz und gar gezeigt hat. Das heißt, Gott zeigt sich als menschlicher Gott, als Gott der Menschlichkeit, nicht als Allmächtiger wie im römischen Glaubensbekenntnis! Da geht für mich Gottes Selbstoffenbarung in Jesus durchaus über die jüdische Tradition hinaus, aber auch gegen die christliche Dogmatik, dass Gottes Messias eben nicht machtvoll das Paradies auf Erden herstellt – genauso wenig wie Gott dies von oben herab tut. Sondern nach dem Zeugnis Jesu ist Gott da in menschlicher – und geschöpflicher – Solidarität. In der Fähigkeit zum Mitleiden und Mitleben.
Georg Lechner 31.01.2024, 18:00 Uhr:
"Gottmensch" ist ein Nonsens par excellence. Mit dem Konzil von Nicäa kam man den Intentionen von Kaiser Konstantin entgegen, den Menschenfreund Jesus so zu vergotten, dass er in unerreichbaren Sphären angesiedelt wurde. An dieser Stelle sei auch an das Wort von Dietrich Bonhoeffer erinnert (siehe PuFo 1/24, Thema "Gottesfrage"): "Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht." Aus klerikalem Machtstreben gingen alle dazu analogen Aussagen seit Augustinus nicht in die Verkündigung ein. Die Folgen sind in der Diskrepanz zwischen offizieller Lehre und ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung unübersehbar.
Es ist nicht nur ein Gebet zu einer geschöpflichen Instanz ausgeschlossen, sondern auch zu einer (allzu irdischen) Götzenvorstellung (allmächtig etc.) Gottes (siehe auch das Bilderverbot in Exodus 20, 4). Gott ist Geist und kann daher nur in einer am Geist Jesu orientierten Lebenspraxis angebetet werden.
Klaus Kienzler 26.01.2024, 10:44 Uhr:
Was auch immer später gesagt oder gelehrt wurde, für das Verhältnis zu den Juden gilt was Paulus in Röm 9-11 bekennt: Gott steht zu seinem Bund mit den Juden, der Bund ist "ungekündigt" (Röm 11,29). Die Juden haben alles, was zu Religion und Glauben an Gott gehört: Röm 9:4 "Sie sind Israeliten; damit haben sie die Sohnschaft, die Herrlichkeit, die Bundesordnungen, ihnen ist das Gesetz gegeben, der Gottesdienst und die Verheißungen, 9:5 sie haben die Väter, und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christus". Also Paulus und Röm 9-11 lesen und beherzigen, das Spätere ist sekundär
Rudolf Eck 25.01.2024, 08:59 Uhr:
Herrn Prof Treitler ist zu verdanken, dass er das Thema dem Leserkreis näher bringt. Ja, da würde etwas in Bewegung kommen wenn man das NT auf den genannten Sachverhalt endlich der Realität anpassen würde.