Glyphosat jetzt verbieten?
Karl Bär: »Ja! So schnell wie möglich«
»Im September fuhr ich im Norden aus München heraus, um den Bio-Landwirt Sepp Braun zu besuchen. Er zeigte mir, wie er Unkraut unterdrückt, indem er Klee unter sein Getreide pflanzt und so gleichzeitig Futter für seine Kühe produziert. Er erklärt die positive Wirkung von Hecken zwischen den Feldern und wie er seine wichtigsten Mitarbeiter, die Regenwürmer, fördert. Seit Jahrzehnten hat er weder gespritzt noch gepflügt. Sepp Braun hat Pestizide mit Kreativität unnötig gemacht.
Viel zu oft aber ersetzt Glyphosat Kreativität. Auf vierzig Prozent der deutschen Äcker wird es regelmäßig ausgebracht. Wo das Gift gespritzt wird, wächst buchstäblich »kein Gras mehr«. Doch ohne »Unkräuter« fehlt die Nahrung für viele Insekten. Die Insekten wiederum sind das Futter für Vögel wie den Kiebitz. Um rund achtzig Prozent sind die Bestände des Vogels mit der lustigen Punkfrisur in den vergangenen dreißig Jahren zurückgegangen. Bei vielen anderen Arten sieht es nicht besser aus. Unsere Umwelt verarmt und wird instabiler.
Auch unsere eigene Gesundheit ist durch das Ackergift bedroht. Die Weltgesundheitsorganisation hält es für erbgutschädigend und »wahrscheinlich krebserregend«. Dass der Wirkstoff in Brot, Bier, Bohnen, Baumwollprodukten und menschlichem Urin gefunden wird, macht deutlich: Es ist nicht möglich, über Jahrzehnte Tausende Tonnen davon auf die Felder zu sprühen, ohne dass Glyphosat über die Nahrung zu uns Menschen zurückkommt.
Glyphosat ist überall. Doch nicht mehr lange. Frankreich, Italien und andere europäische Staaten wollen es loswerden. In wenigen Jahren wird Glyphosat in großen Teilen Europas verboten sein. Auch die deutsche Regierung sollte jetzt nicht weiter diskutieren und Arbeitsgruppen einrichten, sondern es schnell verbieten.«
Publik-Forum EDITION
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Manfred Koppenhagen: »Nein! Entscheidend ist die Anwendung«
»Glyphosat beseitigt Unkräuter, die Ertrag und Qualität von Nutzpflanzen mindern. Unkräuter müssen bekämpft werden, auch im Bioanbau. Und wenn nicht mit Glyphosat, dann entweder mit einem anderen Wirkstoff oder mit dem Pflug. Das Ergebnis ist das gleiche, und einem gepflügten Feld fehlt ebenfalls jede Artenvielfalt.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO hat Glyphosat in die Risikokategorie 2A und damit als »wahrscheinlich krebserregend« eingestuft. In dieser Kategorie sind auch Acrylamid, das beim Backen und Braten entsteht, Mate-Tee sowie Chemikalien, die der Friseur verwendet. In Kategorie 1 – »zweifellos krebsauslösend« – finden sich Tabakrauch, Mineralöl und Alkohol. Entscheidend ist aber, wie mit diesen Stoffen umgegangen wird. So wie Glyphosat in der Landwirtschaft eingesetzt wird, besteht kein größeres Krebsrisiko als beim verantwortungsvollen Umgang mit anderen Stoffen.
Die Diskussion hat längst die postfaktische Phase erreicht. Dem Umstand, dass Glyphosat ein Baustein der konservierenden Bodenbearbeitung ist, die Bodenstruktur erhält, Bodenlebewesen schont und Erosion vermeidet, wird so wenig Rechnung getragen wie dem, dass für den Ersatz von Glyphosat durch Pflügen zusätzlich 500 000 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr in Deutschland durch den Dieselverbrauch emittiert würden. Doch um dies zu verstehen, müsste man sich mit dem Thema auf fachlicher Ebene auseinandersetzen. Das geschieht kaum.
Glyphosat wird von Interessensgruppen missbraucht, um von anderen Umweltthemen abzulenken, Wählerstimmen und Spenden zu werben. Doch was bringt ein Verbot in Deutschland, solange Getreide, Raps und Soja aus Ländern importiert werden, die Glyphosat weiter einsetzen?«
Manfred Koppenhagen ist Agraringenieur und betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb in Kirchberg an der Iller.
Heinz Sonnberger 09.03.2018, 00:27 Uhr:
Tut mir Leid, Herr Koppenhagen, mit Ihrer Einschätzung liegen Sie falsch. Von welchem Umweltthema soll denn Glyphosat ablenken? Insektensterben und Artensterben hängen unmittelbar mit der großflächigen Anwendung von Glyphosat zusammen. Es ist ein Gift und dessen Anwendung ist schädlich.
Klaus Lachenmaier 02.03.2018:
Für mich ist der Glyphosat-Einsatz in der konventionellen Landwirtschaft ein Irrweg, der in der Bilanz eindeutig negativ ist. Für das Ökosystem und die Menschen.
Zur Schlußfrage von Herrn Koppenhagen eine Feststellung: Das richtige Tun kann nie falsch sein! Aber dieser Grundsatz ist uns abhanden gekommen, der Politik und der ganzen Gesellschaft. Deshalb werden Irrwege bis zum Abgrund beschritten. Und ein Verweis auf Andere, die gleich schlimm oder schlimmer agieren, macht nichts besser und bringt uns auch nicht weiter. Warum will man all dies nicht mehr wahrhaben?
Reinhard Müller 01.03.2018:
Liebe Redakteure!
Ich bin von den zwei Artikel zu Glysophat enttäuscht, weil jeder nur einige Argumente herausstreicht und weil beide für mich offentsichtlich Fehler enthalten. Der eine behauptet dass bei dem Unkrautvernichtungsmittel 'kein Gras' mehr wächst, wo doch doch bekannt ist, dass es nur zweikeimblättrige Pflanzen schädigt! Oder etwa nicht??
Der andere behaupte, dass ohne Glysophat die Äcker zur Unkrautvernichtung gepflügt werden müßten. Erstens wurde seit jahrhunderten gpflügt und es wuchsen immer viele Unkräuter, zum anderen werden im erten Artikel umweltschonende Methoden zur Unkrautbekämpfung geschildert. Jetzt muß aber mal einer einen Artikel schreiben und alle Argumente abwägen!!! Ihr könnte uns doch nicht blos mit solchen einseitigen und Seriosität vortäuschenden Sachen abspeisen!!!
Johanna Voss 28.02.2018:
Prof. Gunter Pauli hatte uns in zurückliegenden Inno-Kreis-Veranstaltungen (2013/2015/2016) mehrmals von der gelungenen Transformation der von einer Betriebsschließung bedrohten Erdöl-Raffinerie Novamont (Sardinien) in eine Öko-Raffinerie berichtet, die heute auf der Grundlage von Disteln eine Vielzahl von Bio-Rohstoffen herstellt.
Mit Novamont ist eng der Name Catia Bastioli verbunden. Mit ihr als Wissenschaftlerin und treibender Kraft ist es gemeinsam mit Gunter Pauli als Vorstandsvorsitzendem von Novamont gelungen, eine Alternative zu Glyphosat auf der Basis von Disteln zu entwickeln.
“Ein Unkraut als Unkrautvernichter“.
Was Glyphosat und die mit diesem Herbizid verbundenen großen Gefährdungen für Menschen, Tiere und die Natur angeht, wurden wir mindestens seit 2011 durch unseren Inno-Kreis- Freund Haiko Pieplow immer wieder aufmerksam gemacht und in einer höchst -anschaulichen Inno-Kreis-Veranstaltung 2012 mit Prof. Monika Krüger wachgerüttelt.
Auch unsere Inno-Kreis –F
Georg Lechner 27.02.2018, 10:09 Uhr:
Teil 2:
Glyphosat schädigt vor allem zweikeimblättrige Pflanzen (Kräuter) durch Austrocknen, einkeimblättrige Pflanzen (Gräser, dazu zählen auch die Getreidesorten) bleiben eher verschont. Mit dem Austrag auf benachbarte Grünflächen (beim Spritzen unvermeidlich) verarmt dort die Artenvielfalt zusätzlich, daneben wirkt noch das häufigere Mähen ungünstig, weil die Kräuter zumeist länger zur Samenbildung brauchen als die Gräser. Die Landwirte sind aber durch das konkurrenzbasierte Wirtschaftssystem veranlasst, möglichst viel aus ihrer bewirtschafteten Fläche herauszuholen, um wirtschaftlich überleben zu können.
Georg Lechner 27.02.2018, 10:07 Uhr:
Glyphosat ist ein geladenes Molekül und kann somit nur bei der Zellteilung von Menschen und Tieren in das Zellinnere gelangen, sonst verhindert dies die Zellmembran (bestehend aus einer Lipiddoppelschicht). In Zellen, in die es eindringen kann, blockiert es allerdings einen Teilschritt des Kohlehydratstoffwechsels (Bildung von Phosphoenolpyruvat) auf dem Weg zum Citratcyclus (dieser ist die gemeinsame Endstufe des Kohlehydratstoffwechsels und des Fettstoffwechsels zur Energiegewinnung für die Lebensprozesse). Da bei Krebszellen eine hohe Zellteilungsrate vorliegt, wird es am ehesten dort gefunden.
Die erosionsmindernde Wirkung von Glyphosat im Beitrag von Manfred Koppenhagen kann ich nicht unbedingt nachvollziehen. Anbauflächen für Mais werden zuerst totgespritzt, da er wegen der Frostempfindlichkeit erst spät gesät werden kann. Zwischen den Maispflanzen wächst dann nichts, bei Gewitterregen ist auf Maisäckern eine massive Erosion zu bemerken.
Fortsetzung folgt