Prager Vorfrühling
Auf allen Kontinenten finden derzeit Synodalversammlungen statt, die der Vorbereitung der katholischen Weltsynode dienen. Vertreter der europäischen Kirchen trafen sich in Prag. Vier Tage waren je vier Delegierte pro Land zusammen, von Albanien bis Zypern, zwei weitere Tage nur die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen. Ein digitales Auditorium war technisch mehr schlecht als recht organisiert. Jede Delegation hatte sechs Minuten, um zu erklären, wie die Weichen für die Zukunft der Kirche gestellt werden sollen. Zudem durften ausgewählte »Gäste« reden. Geduld war gefragt, kritische Aufmerksamkeit auch.
Im Oktober 2023 und Oktober 2024 laufen die Fäden in Rom zusammen. Was wird sich bis dann geändert haben? Und was wird sich danach ändern? Das Vorbereitungsdokument für die Kontinentalsynoden, das auf eine globale Befragung zurückgeht, markiert drei Hauptprobleme, die dringend gelöst werden müssen. Erstens: Frauen haben zu wenig Rechte. Zweitens: Der Klerikalismus treibt seltsame Blüten. Drittens: Die Kirche will einladend sein, grenzt aber viele Menschen aus, die anders leben, als der Katechismus es will. Wer eine Ahnung davon hat, wie viele Filter Rückmeldungen von der Basis durchlaufen, bis sie ans Tageslicht einer katholischen Dokumentation gelangen, darf über die Offenheit der Problemanzeige staunen.
Gibt es auch Lösungen? Ohne die Ansage von Papst Franziskus, die katholische sei eine »synodale Kirche« und müsse diesen Anspruch auch einlösen, wäre kein einziger Reformimpuls ausgelöst worden. In Prag war zu beobachten: Dort, wo sich Kirchen dem Machtmissbrauch stellen, gibt es einen großen Erneuerungswillen. Dort hingegen, wo die Sorge herrscht, in der Öffentlichkeit schmutzige Wäsche zu waschen, bleibt es bei allgemeinen Klagen über Geistliche, die schuldig geworden sind. Irland, Frankreich, Benelux, Schweiz, Österreich, Schottland, England und Wales: Nicht nur in Deutschland wird von systemischen Ursachen und Lösungen gesprochen. Aber auch in den Statements aus Polen, Belarus, Kroatien, Malta, Italien, Spanien und Portugal gab es Zwischentöne, die aufhorchen ließen.
»Hören« war als Devise ausgegeben worden – und viel mehr war auch nicht möglich, weil die Zeit für »freie Interventionen« sehr begrenzt war. Es hätte aber sehr viel mehr Diskurs gebraucht, um einander besser zu verstehen und, wo es hätte sein müssen, präziser zu widersprechen. Immerhin: Es wird einen Abschlussbericht geben, der nicht verdrängt, sondern dokumentiert, was zur Sprache kam. Es wird keinen alternativen Text der Bischöfe geben, wie er zwischenzeitlich im Raum stand, sondern deren Zustimmung zum Prozess der Synode.
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Auf Dauer kann es allerdings beim »Hören« nicht bleiben. Es muss auch entschieden und gehandelt werden. Nicht erst am Sankt Nimmerleinstag. Ist die katholische Kirche dazu fähig und bereit? Die Antwort ist offen. Ohne mehr Rechte für die Ortskirche wird es sehr schwer. Im Oktober sollen jedoch wieder nur Bischöfe nach Rom entsandt werden – ein Schritt zurück.
Konsequenzen für den Synodalen Weg in Deutschland? Es gibt keinen »Sonderweg«, es gab ihn nie. Aber es gibt auch keine Dominanz des deutschen Modells, weil die historischen Verhältnisse allein schon in Europa viel zu unterschiedlich sind. Der Brief der drei Kardinäle vom Januar 2023, der vor einer Entmachtung von Bischöfen durch den synodalen Prozess warnen wollte, spielte in Prag keine Rolle – zu Recht: Auf dem Synodalen Weg wird das Bischofsamt nicht abgeschafft, sondern eingebunden.
Im März muss die fünfte Synodalversammlung in Frankfurt sichtbar machen, dass die Missbrauchsproblematik nachhaltig gelöst wird: durch mehr Geschlechtergerechtigkeit, durch mehr Partizipation, durch weniger Diskriminierung. Dann wird es einen Schnitt geben – und der Synodale Weg geht weiter. In Deutschland und weltweit.