Literaturtipp
Ungehemmtes Nachdenken über die Liebe
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Roman. Eine Affäre, die ebenso unspektakulär beginnt, wie sie verläuft: Ein Handzeichen, auf der Veranda, über die Köpfe der anderen hinweg, und sie folgt ihm nach oben. »Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, was seine Geste zu bedeuten hatte«, erinnert sich die Erzählerin. Schnell und wortlos ist es vorbei, doch nachts steigt der Wunsch in ihr auf, »dass es ein weiteres Mal passierte«.
Die Erzählerin begegnet dem Mann in einer kleinen Künstlerkolonie in den USA. »Der Katalane«, wie sie ihn nur nennt, ist damals bereits ein erfolgreicher Schriftsteller. 20 Jahre später erinnert sich die Erzählerin zurück an diese unwirkliche Zeit, in der sie so weit entfernt von ihrem Alltag, dem Ehemann und den zwei Kindern war. Und schreibt alles auf.
Julia Schochs Roman »Wild nach einem wilden Traum« ist der Abschluss ihrer Trilogie »Biografie einer Frau«, doch die Bücher lassen sich auch unabhängig voneinander lesen. Während es im ersten Buch um eine Ehe geht, in der die Liebe einer Fremdheit weicht, beschreibt sie im letzten Band, wie es ist, wenn eine neue Leidenschaft beginnt. Die Erzählerin erinnert sich nicht nur an die Affäre mit dem Katalanen, sondern auch an ihre Kindheit am Stettiner Haff zurück: Wie sie als Zwölfjährige, die sich oft einsam fühlte, im Wald einem Soldaten begegnet, und wie eine beinahe zwanghafte Sehnsucht sie immer wieder zum Treffpunkt im Wald zieht, weil sie spürt, dass er ebenso einsam und orientierungslos ist. Es ist Schochs tagebuch-anmutende Ehrlichkeit, ihr ungehemmtes Nachdenken über Leben, Liebe, Literatur, die ihre Sätze so kostbar machen. Mit fein beobachteten Details bezeugt sie die Macht des Erinnerns.
? Julia Schoch: Wild nach einem wilden Traum.
dtv. 176 Seiten. 23 €