Film-Tipp
Keine Zeit!
Kino. Im Dezember 2019 wurde in Frankreich der öffentliche Nahverkehr durch einen Streik lahmgelegt. Das liefert die Rahmenhandlung für dieses sich über eine Woche erstreckende Sozialdrama. Erzählt wird der tägliche Balanceakt einer alleinerziehenden Mutter und Pendlerin. Julie lebt mit ihren Kindern in einem Haus in der Provinz fernab der Hauptstadt, arbeitet jedoch als Zimmermädchen in einem Pariser Luxushotel. Ihr Tag beginnt nachts, wenn sie ihre beiden Kinder weckt, versorgt und bei einer genervten älteren Frau abliefert, die jenseits der Schulstunden auf sie aufpasst. Mal rennend, mal verzweifelt auf Bahnsteigen wartend, versucht sie wie Tausende andere, zu ihrer Arbeit zu gelangen. Dort geht der Kampf gegen die Uhr weiter. Ein weiteres Problem – davon abgesehen, dass sie pleite ist, weil ihr Mann »vergisst«, Unterhalt zu zahlen – bahnt sich an: Julie will während der Arbeitszeit heimlich zu einem Vorstellungsgespräch, um eine ihrer Qualifikation entsprechende Stelle zu bekommen. Immer lächeln!
In diesen Film, der an einen Thriller erinnert, wird man hineingezogen und taucht vollkommen in Julies Erleben ein. Doch Julie ist nicht nur Opfer, sondern eine Kämpferin. Sie will sich nicht mit ihrem prekären Status bescheiden. Die Hilfsbereitschaft anderer nutzt sie bis zum äußersten aus und bringt durch ihre Tricksereien andere in die Bredouille. Als aber die Stricke ihres brüchigen Sicherheitsnetzes reißen und die Babysitterin das Wort »Jugendamt« in den Raum wirft, scheint diese Heldin des Alltags zu kapitulieren. Das preisgekrönte Drama »Julie – Eine Frau gibt nicht auf« über die handfesten Herausforderungen eines Frauenlebens im 21. Jahrhundert ersetzt viele Bücher über Feminismus und Zeitstress.
Julie – Eine Frau gibt nicht auf (F 2023).
Film von Éric Gravel, 87 Min. o. A.