Literatur
Ein verdrängter Krieg als äthiopischer Heldinnengesang
Roman. Frauen, die im wirklichen Leben nur Nebenrollen hatten, rückt die Schriftstellerin Maaza Mengiste in ihrem Roman »Der Schattenkönig« in das Zentrum des Geschehens. Er spielt in Ostafrika in den Jahren 1935/36, als das faschistische Italien das damalige Königreich Abessinien, heute Äthiopien, in einem brutalen Kolonialkrieg angriff. Da ist Hirut, die als Waisenkind von einem äthiopischen Offizier aufgenommen wird und als Magd und Zielscheibe sexualisierter Gewalt dienen muss. Da ist die rundliche Frau, die nur »die Köchin« heißt, weil sie sich weigert, ihren wahren Namen zu nennen, seitdem sie verschleppt und als Sklavin verkauft wurde.
Die Schriftstellerin Maaza Mengiste ist 1971 in Äthiopien geboren, heute lebt sie in den USA. In ihrem Roman verklärt sie keinesfalls den äthiopischen Widerstand, sondern schreibt sowohl über die Grausamkeiten der italienischen Faschisten als auch über die patriarchale Gewalt in der äthiopischen Gesellschaft, auch in den Partisanengruppen. Diese kämpfen mit alten Gewehren gegen Panzer und Flugzeuge, die Giftgas versprühen, vor allem aber mit Mut, Schlauheit und Leidensfähigkeit. Der »Schattenkönig« taucht erst in der Mitte des Romans auf, als der Widerstand der Äthiopier darniederliegt. Kaiser Haile Selassie hat sich bereits ins englische Exil geflüchtet, als Hirut auffällt, dass ein Musiker dem verschwundenen Kaiser ähnelt. Man kleidet ihn ein, setzt ihn auf ein Pferd und schafft so ein Double. Der Schattenkönig stärkt die Kraft zum Widerstand.
Mengiste entwirft ein Panorama mit verschiedenen Perspektiven und Charakteren, die sie auch mit ihren Widersprüchen zeigt. Ihre Sprache ist fein und nuancenreich, kreativ und kraftvoll, manchmal etwas pathetisch. Die knapp 600 Seiten starke legendarische Ausarbeitung des hierzulande kaum bekannten Krieges ist fesselnd.
Übersetzt von Brigitte Jakobeit und
Patricia Klobusiczky. dtv. 576 Seiten. 25 €