Narziss will tanzen - das kann er auch gut
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Hartmut Radebold
Abwesende Väter
Folgen der Kriegskindheit in Psychoanalysen. Vandenhoeck & Ruprecht. 250 Seiten. 48,? DM
Titel und Untertitel machten mich neugierig, der Klappentext allerdings recht bald stutzig. Da schreibt jemand ein Fachbuch über Spätfolgen einer Kriegskindheit - aber nicht auf dem Balkan, im Kaukasus oder einem der vielen anderen Orte aktueller kollektiver Menschenverachtung, sondern über den 2. Weltkrieg und seine Folgen für die damaligen Kinder. Der Autor hat intensiv recherchiert und überschüttet den Leser mit einer Lawine statistischer Daten, ehe er zu den leider holprigen Fallbeispielen kommt, die er mit seiner eigenen, allerdings fünf Mal so breiten Biografie unterstreicht - Narziss will tanzen. Wenn es auch wissenschaftlich kaum haltbar ist, aus einer Stichprobe von zehn Personen und der Selbstbetrachtung heraus allgemein gültige Aussagen zu folgern, so bleibt die Analyse der verschiedenen Gruppen abwesender Väter vorzüglich und die Betrachtungen zur Rolle der Väter bei der Entwicklung ihrer Sprösslinge sind solide. Verlauf und Abschluss der dazugehörigen Therapien werden auch für Laien gut verständlich beschrieben. Freimütig bestätigt der Autor die Hemmungen der Hinter-Couch-Psychoanalytiker: Es habe Monate bis Jahre gedauert, bis er sich intensiver für den Alltag seiner Patienten interessierte. Wenn es auch verkürzt wirkt, alle Probleme und Krisen der Lebensmitte mit der Abwesenheit der Väter vor über 50 Jahren zu erklären, so gibt das Buch doch interessante Denkanstöße auch für Jüngere für das Verständnis dieser Generation und zum Nachdenken über aktuelles Geschehen in anderen von kriegerischen Auseinandersetzungen erschütterten Ländern. Radebolds Patienten brauchten offenkundig Hilfe. Wer weiterdenkt, wird merken, wie wichtig intensive Hilfen auch für heutige Kriegsopfer sind. Dieses Buch ist allen interessierten Lesern nur zu empfehlen.