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Kommt Psychiatrie ganz ohne Gewalt aus?

von Klaus Hoffmann vom 07.04.2006
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Matthias Krisor
Aufgehoben in der
Gemeinde
Psychiatrie-Verlag. 260 Seiten. 19,90 EUR

Matthias Krisor leitet die offene gemeindepsychiatrische Abteilung des Sankt-Marien-Krankenhauses in Herne. Er arbeitet also mitten im Ruhrgebiet, das mit seinen sozialen Umwälzungen gerade auch psychisch Kranke trifft und zuvor Gesunde krank machen kann. Die Vernetzungen der klinischen Arbeit mit der Gemeinde sind mittlerweile sehr stark - statt Ergotherapie in der Klinik suchen die Patienten gemeinsam mit Pflegenden entsprechende Volkshochschulkurse auf, in Ateliers gestalten und vermitteln Patienten für die Öffentlichkeit Inhalte mit Fachreferaten, Musikdarbietungen und anderes mehr. Gemeinderäte und Presse sind eng in diese Arbeit einbezogen. Mit dem Paradigma der offenen gewaltfreien Psychiatrie eckte Krisor vor allem in den 1980er Jahren an. Der Rezensent teilt auch nicht die Idee einer gewaltfreien Psychiatrie, da Menschen gewaltbereit sind und daher nicht immer gewaltlose Antworten möglich sind. Dennoch sind viele von Krisors emanzipatorischen und kreativen Konzepten mittlerweile in der Psychiatrie und bei den für sie Verantwortlichen wirksam geworden, vor allem die Öffnung und die Geschlechterdurchmischung der Stationen. In seinem lesenswerten Buch stellt Krisor seine gemeindepsychiatrischen Konzepte und Arbeiten in den philosophischen und historischen Zusammenhang, benennt wohltuend auch linke Autoren, die in der heutigen Fachdiskussion gerne verschwiegen werden, wie Georges Politzer und Klaus Holzkamp. Die »Entwicklung und Verankerung einer offenen Psychiatrie« im Sankt-Marien-Hospital in Herne zeigt den ständigen Lernprozess, dem in der Psychiatrie Tätige sich regelmäßig unterwerfen sollten, wenn sie verantwortungsbewusst im politischen Raum und mit ihren Patienten arbeiten wollen.

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