»Helikoptermoral« des Psychoanalytikers Wolfgang Schmidbauer" />
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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 7/2017
Der Inhalt:
Allgemein

Moralmissbrauch spaltet die Welt

Vorschnelle Urteile ohne Empathie sind allgegenwärtig. Norbert Copray über das Buch »Helikoptermoral« des Psychoanalytikers Wolfgang Schmidbauer
von Norbert Copray vom 18.04.2017
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Moralische Bewertungen aus vemeintlich höherer Warte sieht Wolfgang Schmidbauer als Kennzeichen des Zeitgeistes - und als Gefahr für das Gemeinwesen (Foto: luxuz:.photocase.de)
Moralische Bewertungen aus vemeintlich höherer Warte sieht Wolfgang Schmidbauer als Kennzeichen des Zeitgeistes - und als Gefahr für das Gemeinwesen (Foto: luxuz:.photocase.de)

Ständig werden Bewertungen, moralische Bewertungen insbesondere, öffentlich und halböffentlich wie aus der Pistole geschossen. Ob im Internet, in Talkshows, in Leserbriefen, in Bürger-, Vereins- oder Parteiversammlungen: Von einer vermeintlich höheren Warte aus werden Äußerungen und Verhalten anderer sofort moralisch sortiert und meist abgewertet. Das nennt der Psychoanalytiker, Psychologe und Bestsellerautor Wolfgang Schmidbauer in seinem neuen Buch »Helikoptermoral«. Eine Zeitdiagnose in bester Tradition der politischen Psychoanalyse Horst-Eberhard Richters und der Sozialpsychologie Erich Fromms.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 07/2017 vom 07.04.2017, Seite 54
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Urteile ohne Augenmaß

Analog zum Begriff »Helikoptereltern« prägt Schmidbauer den Begriff »Helikoptermoral« für ein Amalgam aus »ängstlicher Aufmerksamkeit und hastigen Bewertungen ohne Empathie und ohne Blick auf Zusammenhänge«. So werden Entwicklungen verkannt, »weil die Urteile so zwischen Überschätzung und Entwertung polarisiert sind, dass das Augenmaß verloren geht. Fantasien von Erlösung und Befreiung gewinnen eine Macht, die am Ende in Katastrophen führen muss«.

Schmidbauers Buch ist inhaltlich und sprachlich ausgezeichnet. Sein Blick auf die moralisierende und moralinsaure Dimension des Zeitgeistes ist präzise. Er ist auch von eigener Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen geprägt, zeigt, dass ein Sichten und Abwägen nicht schnell fertig ist, sondern bisweilen im Prozess bleiben und ihn offenhalten muss. Dabei geht es Schmidbauer »nicht darum, die Moral zu tadeln«. Er stellt klar: »Es geht um ihren Missbrauch, um den Übereifer, die Grenzüberschreitung im Dienst narzisstischer Bedürfnisse der Eiferer.« Er sieht dadurch bleibende Beschädigungen unseres Gemeinwesens und unserer Orientierungen, denn »diese Entwicklung führt die modernen Gesellschaften mehr und mehr in eine dekontextualisierte Ethik: Werte werden aus dem Zusammenhang gerissen. Sie werden zum Superlativ übersteigert, sobald sich Zweifel melden. Sie spalten den Blick auf die Welt.«

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Ein Schlüsselbegriff

Schmidbauer durchdringt die Auslöser, die Prozesse und Wirkungen der Helikoptermoral sowie die Motive, Verhaltensmuster und Ziele ihrer Akteure. Das gelingt ihm, indem er diese Aspekte genauer betrachtet anhand von Themenlängsschnitten wie etwa Eventkultur, Partnerschaft, Islam, Bilderwelten, Beschneidungen, Tod, Abwehr der Tragödie, Umgang mit Schadensstrafen, zwanghaftes Bewerten und Größenfantasien. Dadurch gewinnt das Buch an Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit, denn es zeigt, wie aufschlussreich der Begriff »Helikoptermoral« eingesetzt werden kann.

Es ist ein Schlüsselbegriff, der dazu verhilft, das Gegenteil wichtig zu finden und zu praktizieren: sorgfältig, abwägend, langsam, nachdenklich, gesprächsfähig und selbstkritisch Situationen und menschliches Verhalten zu betrachten und zu beurteilen. Kurz: durch Rücksichtnahme im umfassenden Sinn des Wortes. Dann kann man Helikoptermoral als »Minifanatismus in Tugendmaske« überwinden, und die Empathie kehrt zurück.

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