Leserbrief
Frieden erfordert Mut
Zu: »Pazifismus unter Beschuss« (6/22, Seite 28-35)
Wer Frieden möchte, muss friedlich mit gutem Beispiel vorangehen. 100 Milliarden Euro für Rüstung sind ein denkbar schlechtes Beispiel. Sie schreiben den Unfrieden fort. Wolfgang Leiberg, Hüttenberg
Bei Ihren Aussagen zum Pazifismus fehlt völlig das entscheidende Thema Atomzeitalter. Dabei gilt: Atomare Abschreckung ist prinzipiell labil. Zwar erfüllt die Bombe ihren Sinn nicht, wenn sie fällt, aber eben auch nicht, wenn es unmöglich ist, dass sie fällt, denn dann ist die Drohung leer, und das merkt der Gegner meist schnell. Abschreckung funktioniert also nur dann, wenn der Einsatz von Nuklearbomben stets möglich ist, aber nie wirklich wird. Zweitens: Da im Atomzeitalter militärische Gewalt jederzeit bis zum Einsatz von ABC-»Waffen« eskalieren kann, muss die Menschheit, wenn sie überleben will, rechtzeitig lernen, ihre Konflikte, die es auch weiterhin geben wird, anders als durch Gewalt zu lösen. Hans-Georg Wittig, Lörrach
Im Ukrainekrieg zeigt sich, wie unverzichtbar die Lehre vom »gerechten Krieg« ist. Sie ist weit besser als ihr Ruf. Denn sie hat Kriterien entwickelt, die es ermöglichen, Aggressionskriege und Kriegsverbrechen zu ächten. Die EKD hatte sich von dieser Lehre verabschiedet und sie durch den wohlklingenden Begriff »gerechter Frieden« ersetzt. Dahinter steht ein Schönwetterkonzept, das seine Vertreter hilflos macht, sobald sie in ein Gewitter geraten. Dieter Trunk, Nürnberg
Bei jedem Krieg gerät der Pazifismus »unter Beschuss«. Doch religiöse Vernunft mündet in politische Vernunft. Der Dalai Lama zeigt es uns durch sein Exil. Wir sollten uns und die Menschen in den Ländern des ehemaligen Warschauer Pakts daran erinnern, dass es die Entspannungspolitik war, die zur Öffnung und letztlich Auflösung der Sowjetrepublik führte. Dass dieser Systemwandel großes Konfliktpotenzial mit sich bringt, ist unumgänglich. Umso wichtiger ist die Intensivierung von Gesprächen auf allen Ebenen und in vielfältigen Formaten, wie es unter anderem der Verein Forum Ziviler Friedensdienst in den Wochen vor Kriegsbeginn noch einmal forderte. Dass nun die russische Führung dämonisiert wird, ist das beste Mittel, substanzielle Gespräche zu verhindern. Gabriele Lang, Riedlingen
Der Begriff »Pazifismus« bedarf einer entschiedenen Klarstellung. Es ist kein passives, ideologisches Verhalten, sondern eine aktive Einmischung mit langem Atem: die Wortwurzel heißt »pacem facere« – »Frieden machen«. Das meint auch im Artikel von Joachim Garstecki das Zitat von Gustav Heinemann: »Nicht der Krieg ist der Ernstfall, sondern der Frieden.« Denn Pazifismus erfordert Zivilcourage, den Einsatz des ganzen Menschen. So formulierte auch Mahatma Gandhi: »Es gibt keinen Weg zum Frieden – der Frieden ist der Weg.« Und Dietrich Bonhoeffer erkannte, dass es keinen Weg zum Frieden gibt auf dem Weg der Sicherheit, denn Frieden muss gewagt werden. Mut, besonders zur Versöhnung, ist der springende Punkt! Wolfgang Herms, Wittenberge
Publik-Forum EDITION
»Das Ende des billigen Wohlstands«
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Vielen Dank für all die lesenswerten und bedenkenswerten Beiträge in Publik-Forum! In einer Welt voll Kriegsgeschrei tut es gut, auch leise Stimmen zu hören. Roland Schertler, Maihingen
Ich bin entsetzt über die Haltung des Militärbischofs Franz-Josef Overbeck, der Waffenlieferung an die Ukraine befürwortet, wenn er auch sonst gegen kriegerische Handlungen ist. Ich hoffe, dass die Frage der Waffenlieferung nicht die Haltung der katholischen Kirche insgesamt ist. Sanktionen sind eine gerechtfertigte Option – aber keine Waffen! Lothar Gonschor, Efringen-Kirchen
Der Pazifismus ist wegen des »Realitätsschocks« nicht gescheitert, denn die »Erarbeitung des Friedens« als gewaltfreier Widerstand und ziviler Friedensdienst ist doch bisher so gut wie gar nicht angewendet worden! Ohne gewaltfreien Widerstand und das Gewaltmonopol einer internationalen Polizei kann ich mir keinen Frieden vorstellen. Reinhard Müller, Waldhufen
Der Anwurf von Joachim Garstecki gegen die katholische Friedensorganisation Pax Christi ist unbegründet: Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass im 21. Jahrhundert in Europa der Krieg zurückkehren würde. Die Herausforderung für die Friedensorganisationen wird es sein, diese Maschinerie der Aufrüstung mit einem klaren Bekenntnis zu den eigenen Idealen zu durchbrechen. Wer, wenn nicht Christen, kann und muss auch im Angesicht von Leid und Pein mit Gottvertrauen gegen die Barbarei ankämpfen? Gebet, Protest und Solidarität sind keine leeren Worthülsen, sondern haben in der Geschichte bereits Waffen zum Schweigen gebracht. Standhaftigkeit statt Verzweiflung, Mut zum weiteren Dialog und Gewissheit um das Unbesiegbare des Guten: Derartige Zeichen und Signale erwarte ich von Pax Christi. Dennis Riehle, Konstanz