Ai Weiwei
Menschlich dem Leid begegnen
Ausstellung. Ai Weiwei ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler, ein unermüdlicher Aktivist und Kritiker autoritärer Systeme. Immer wieder setzt er sich mit seinem Heimatland China auseinander. Dafür stehen zum Beispiel seine Installationen aus zusammenmontierten Fahrrädern, die daran erinnern, dass das Individuum in der ehemaligen Fahrradnation kaum Bewegungsfreiheit hat.
Seit mehr als 40 Jahren verarbeitet Ai Weiwei historische und persönliche Verlusterfahrungen, bündelt Trauer, Leid und Wut in seinen Werken. »Alles ist Kunst. Alles ist Politik«, sagt er und sucht nach Freiheit und Menschlichkeit im Zeitalter einer manipulativen »Psychopolitik« in einer »digitalen Kontrollgesellschaft«.
Das Kunstmuseum Albertina Modern in Wien zeigt mit »Ai Weiwei. In Search of Humanity« seine bislang umfangreichste Retrospektive (bis zum 4. September). Das Wiener Stadtkino hat montags begleitend sieben Filme von und mit Ai Weiwei im Programm. Beachtlich ist auch der Katalog zur Ausstellung. Zwischen den Buchdeckeln im Marmorlook finden sich Essays und Kommentare zu Ai Weiweis Werken. Ein Zeitstrahl zeigt, wie Ai Weiwei auf Ereignisse künstlerisch reagierte. 2008 starben beim Erdbeben von Sichuan Tausende Schulkinder unter den Trümmern ihrer Schulen, die durch grobe Fahrlässigkeit und Korruption Baumängel aufwiesen: Ai Weiwei und sein Team ermittelten alle 5197 Namen und veröffentlichten sie. 2009 wurde er dafür verhaftet und machte währenddessen ein Selfie, das er später aus Lego nachbaute. Seinen Aufenthalt im Gefängnis im Jahr 2011 hielt er in beklemmenden Dioramen fest. Das Foto des dreijährigen Alan Kurdi, der 2015 tot an die türkische Mittelmeerküste gespült wurde, stellte er nach und fertigte auch davon eine Lego-Version an. 2019 machte das Rettungsschiff Sea-Watch 3 mit Kapitänin Carola Rackete Schlagzeilen: Ai Weiwei baute die Navigationsroute nach, ebenfalls aus Lego. Auch die harten chinesischen Restriktionen während der Corona-Pandemie dokumentierte er. Bei der Ausstellungseröffnung nannte er den Unterschied zwischen der restriktiven Migrationspolitik und der aktuellen Aufnahmebereitschaft für Menschen aus der Ukraine »scheinheilig«.