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Mit seinem Text »Rembrandt im Selbstbildnis« (aus dem Buch »Lachen und Sterben«, Zsolnay 2021) lotste mich der Essayist Franz Schuh aus Wien ins Kunsthistorische Museum ebendort. Erst einmal digital, bis ich das Bild in einem Band zu Hause fand. Schuh beginnt mit Gedanken zur Fassade – das Außen, zu dem es stets ein Innen geben müsse. Beispiel ist die aus Betonblöcken erbaute Wotrubakirche. Wie das dieser übergewichtige Geist-Tänzler so gut kann, springt er von ihr zur Operette »Land des Lächelns« (»Doch wie’s da drin aussieht, geht niemand etwas an«) und landet vor dem Bild, das der Holländer (1606-1669) in seinen Vierzigern gemalt hat (1652). Eine Frau war ihm bereits gestorben, ein Kind auch, der Bankrott stand noch bevor. Geblieben ist das Bild. Anders als in vielen der rund 50 weiteren Selbstporträts, die ihn prächtig ge- oder verkleidet zeigen – etwa in der Gestalt des Apostels Paulus –, sieht man ihn hier in Arbeitskleidung, seinem braunen Malerkittel. Technisch anspruchsvoll hält Rembrandt den Hintergrund im selben Ton. Gemalt vor einem Spiegel, anders geht’s ja nicht, sieht man vor allem, wie er schaut. Sein Blick zieht in den Bann. Wir sehen bloß, wie er sieht oder gesehen werden will: selbstbewusst, unerschrocken. Offen? Die Daumen stecken im Gürtel. Hingen die Arme lose, die Handflächen nach vorn gewandt, wäre das die Pose eines Fußball-Hooligans von Ajax Amsterdam mit der Botschaft: »Komm doch!« Derbe Provokation im Hochgefühl von Selbstwirksamkeit. Oder anders: Dieser Gealterte – gesichtsfurchig und sichtlich mit Doppelkinn – tritt Vermutungen los, wie es sie in Kunstgeschichtler-Deutungen denn auch zuhauf gegeben hat. Doch er wahrt sein Geheimnis. Rembrandt als Kraftmensch? Jedenfalls einer, der für was steht, mutmaßlich illusionsarm. Vielleicht wie der biblische Simson aus dem Richterbuch, dessen Hochzeit er ebenfalls malte, auf jene Szene verdichtet, als die Braut, nachdem sie das Geheimnis seiner Kraft endlich herausgequengelt hatte, es ihren Verwandten verrät. Ihr Blick im Bild ist ganz bei sich, nach vorn, von ihm weggewandt. Auch Simsons Blendung malte er, erschütternd wie die Geschichte selbst, indem der von der Blendung zerstörte Blick seltsam untot war. Die Faszination von Rembrandts Bildern liegt nie nur in malerischer Meisterschaft, sondern auch in dem fast spöttischen Augenzwinkern, das sie ahnen lassen. Als ginge es um Durchblick, der bei Simson allerdings was Unheimliches hat, als hätte er seither nach innen gezwinkert: Als Freak in Ketten soll er im Philister-Tempel Späße zeigen, reißt aber mit erneuerter Kraft dessen Säulen um und sich selbst wie die Peiniger in den Tod. An Haltung und Entschlossenheit deutet das Selbstbildnis Ähnliches an. Genau das lässt schaudern, zieht indes zugleich an. Grund der Irritation ist ein spürbar Leichtes in all dem lastenden Ernst. Wie ein Flackern im Irgendwo zwischen irr und existenziell – dennoch sympathisieren wir mit dem Blick, der überzeugend nicht auf Wahrheiten, sondern Wirklichkeit zu schauen scheint. Jeglicher Frömmigkeit unverdächtig, erzählt Schuh aus seiner Wehrpflichtzeit dies: »Weitermachen, heißt es beim Militär, wenn die Leute in der Stube gerade Gewehr putzen und ein Offizier kommt und stört und gibt den Befehl: weitermachen, bevor er verschwindet.« Und Schuh fährt fort: »Ein Nichtheld wie der auf Rembrandts Selbstporträt macht weiter, aber aus Selbstbewusstheit, weil er weiß, wenn er weitermacht, geht es auch weiter.« So lang es eben weitergeht oder -gehen kann. Was eigentlich schon reichlich erbaulich ist.