Der erste Existenzialist des Mittelalters
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Ursula Niggli (Hg.)
Peter Abaelard
Herder. 420 Seiten. 49,90 EUR
Dieser vierte Band der Forschungen zur europäischen Geistesgeschichte hält, was der Klappentext verspricht: »Eine meisterliche Einführung in Leben und Werk einer der faszinierendsten Gestalten des Mittelalters, Peter Abaelard«. Dokumentiert wird eine Fachtagung über Leben, Werk und Wirkung dieses mittelalterlichen Theologen und Aufklärers. In mehreren Aufsätzen werden Klischeebilder korrigiert, und sein philosophisches, theologisches und ethisches Denken wird für die aktuelle interreligiöse Diskussion fruchtbar gemacht. Die Lektüre erinnerte mich immer wieder an einen Ausspruch des Philosophieprofessors Johann Fischl in meiner Grazer Studienzeit: »Mit Abaelard kündigt sich bereits das moderne existenzialistische Denken an.« Sein dialektisches Denken schuf bereits Brücken zwischen Gottesglauben und Vernunft, die an die späteren Denkbemühungen Kants über reine und praktische Vernunft erinnern. Man erfährt unter anderem auch, dass Abaelard die christliche Askese größtenteils für heidnischen Ursprungs hält, der Kreuzestod Jesu für ihn nicht von der Erbschuld des Menschen abhängt und die Frauen als Zeuginnen der Auferstehung die besseren Apostel seien. Wie modern Abaelard ist, zeigt auf Seite 120 auch ein Textvergleich mit Eugen Drewermanns Erlösungsgedanken. Der dialektische Scharfsinn dieses Sokrates des Mittelalters ist für uns Heutige wegweisender als die Kreuzzugsmystik eines Bernhard von Clairvaux und die leibverachtende Tradition kirchlicher Sexualethik, die Abaelard leidvoll erfahren musste.