Leserbrief
Osteuropa sieht es anders
Zu: »Debatte« (7/22, Seite 58-59)
Mit Befremden habe ich die vielen Putin-freundlichen Leserbriefe gelesen, die der Nato die Schuld am Überfall auf die Ukraine zuschieben. Man sollte nicht vergessen, dass die Nato die ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts nicht zum Beitritt gezwungen hat! 2015 haben mein Mann und ich eine Motorrad-Reise durch das Baltikum gemacht und mit vielen Menschen gesprochen. Sehr viele haben damals schon ihre Angst vor einem aggressiven Russland zum Ausdruck gebracht und immer wieder beteuert, wie froh sie seien, zur Nato und zur EU zu gehören! Auf die Frage, warum sie Flüchtlingen aus Syrien eher ablehnend gegenüberstehen, kam die Antwort: »Alle haben ihre eigenen Probleme – ihr die Flüchtlinge, wir Russland!« Agnes Widauer, Wien
Die russische Begründung für den Überfall auf die Ukraine lautet ja, dass man dem Vordringen der USA und der Nato Einhalt gebieten musste. Das ist Unsinn. Weder die USA noch die Nato können das Risiko eingehen, die Atommacht Russland anzugreifen. Die Folgen wären katastrophal. Wer Russland angreift begeht Selbstmord. Rudolf Walter, Frankenthal
Die Leserbriefe offenbaren in ihrer Mehrheit, wie man aus einer Nato-kritischen Grundhaltung pazifistischer Herkunft auf Putins völkisch-nationale und imperiale Lügenlogik von Russland als Opfer westlicher Geopolitik hereinfallen kann. Über Jahre hat Putin nicht nur eine demokratische Zivilgesellschaft in Russland systematisch zerstört, sondern das bereits zaristische Narrativ einer russischen Gewaltmission der Welt erneuert. Es gab keinen Grund für ihn, einen Krieg gegen und in der Ukraine zu führen außer diesem ideologischen Herrschaftsanspruch von gestern. Vorhandene inner-ukrainische Konflikte wären alle ohne Russlands Krieg lösbar gewesen. Volker Gallé, Mauchenheim
Publik-Forum EDITION
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Ich bin in Dresden geboren, habe dort 26 Jahre lang das DDR-Regime kennengelernt, danach ein sehr ähnliches Regime in der Tschechoslowakei. Putin war in Dresden mehrere Jahre lang Offizier des sowjetischen KGB. Er hat gelernt, wie man freie Meinungsäußerungen und Demokratiebewegungen zunichtemacht und Kriege führt. Seine Strategie gegenüber verschiedenen ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion ist der von Hitler 1938/39 der Tschechoslowakei gegenüber sehr ähnlich. Die Tschechen und Slowaken haben damals trotz guter militärischer Vorbereitung nicht gekämpft, auch weil die Briten und Franzosen sie nicht unterstützt haben, zweifeln aber noch heute, ob das richtig war. Christine Antonová, Prag