Buchtipp
Ein hochliterarischer Öko-Thriller voller Abgründe
Roman. In einem fiktiven waldreichen Naturschutzgebiet in Neuseeland baut eine Gruppe hart arbeitender, idealistischer Umweltaktivist:innen freie Flächen in Gemüsebeete um. Das ist mal mehr, mal weniger legal. Ein nicht ganz so hart arbeitender Milliardär benutzt die Gärtner:innen, um dort gänzlich illegal seltene Erden abzubauen. Und dann ist da noch ein marxistischer Möchtegern-Journalist, der durch die Wildnis schleicht und sich vor Wärmebildkameras und Drohnen versteckt.
Das klingt nach einem Umweltthriller voller Klischees, aber so ist es nicht. Die neuseeländische Autorin Eleanor Catton, die für ihr voriges Buch »Die Gestirne« den Booker-Preis erhielt, zeichnet von ihren Figuren komplexe Psychogramme. Sie verstricken sich in seitenlange Dialoge über Gefahren und Hoffnungen im Kapitalismus, über Geld und Korrumpierbarkeit, über falsch und richtig. Sie alle täuschen sich und andere; lügen aus Eigennutz, aus Scham, aus Stolz, aus Liebe.
Catton ist eine meisterhafte Erzählerin, die anschaulich schildert, wie man sich mit gebrochener Hand einen Strumpf anzieht, Möhren und Rettiche aussät oder im Biwak übernachtet. Derweil baut sie die Handlungsstränge zu einer spannenden Gesamtgeschichte aus, beginnend mit allerlei Heimlichkeiten bis zum großen Showdown. Zur Warnung: Dies ist kein Ökoschmöker zum Wohlfühlen, der Hoffnung macht, weil das Gute sowieso siegt. Dies ist ein hochliterarischer Thriller, der eine Menge Abgründe bereithält.
Eleanor Catton: Der Wald. Übersetzt von Melanie Walz und Meredith Barth. Btb. 512 Seiten. 25 €