Leserbrief
Wachstumsdogmen
Zu: »Weniger wachsen« (7/2024, Seite 20-23)
Mathias Binswanger bleibt eine Antwort schuldig auf die Frage, ob Wachstum wirklich zwingend notwendig ist. Alle Begründungen und Erklärungen zu den wirtschaftlichen Zusammenhängen sind zwar richtig, aber ich kann darin keine zwingende Notwendigkeit zu wirtschaftlichem Wachstum erkennen. Warum muss eine Rezession zu Massenarbeitslosigkeit führen? Warum können nicht alle etwas weniger arbeiten? Das Problem ist die mangelnde Verteilung unseres erwirtschafteten Wohlstandes. Solange die Wirtschaft wächst, kann man die real existierende Verteilungsungerechtigkeit noch einigermaßen schönreden. Natürlich muss sich Verantwortung und Leistung lohnen, natürlich darf der Chef von VW mehr verdienen als seine Putzfrau. Aber gleich so viel mehr? Der Trickle-down-Effekt, der angeblich dafür sorgt, dass unten auch was ankommt, verhindert schon lange nicht mehr, dass wenige immer reicher und die meisten immer ärmer werden. Das ist kein Naturgesetz, sondern eine Folge der Machtverteilung innerhalb der Gesellschaft. Der VW-Chef »verdient« nicht so viel wegen seiner übermenschlichen Leistung, sondern einzig, weil er das im Zusammenspiel von Aktionären und Aufsichtsrat einfordern kann. Wolfgang Heckl, Ingolstadt
Bei dieser Diskussion wird leider nicht erwähnt, dass überschüssiges Geldvolumen investiert wird, um eine Rendite zu erwirtschaften, die einen Teufelskreis von weiterem Investieren und noch mehr Rendite erwirtschaften anheizt. Ohne Renditeversprechen wird Kapital nicht mehr investiert, und das gesamte Wirtschaftsgefüge bricht zusammen. Die endlose Geldvermehrung in Privathand ist die ursächliche Triebfeder. Guthabenzinsen können nur Geldüberschuss-Besitzer erzielen, die daraus resultierenden Schulden tragen dagegen alle Bürger. Eine staatlich gelenkte Geld-Umlaufsicherung würde die Umverteilung von Arm nach Reich durch den Zinseszinseffekt wesentlich entschärfen. Die Einnahmen könnten der öffentlichen Hand zufließen und die Steuerbelastung der Bürger reduzieren, statt Superreiche zu produzieren, die sich in Steueroasen vor der gesellschaftlichen Verantwortung drücken.
Karl Ernst Gundlach, publik-forum.de
Publik-Forum EDITION
»Das Ende des billigen Wohlstands«
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Jeder Physiker weiß, dass ein System, das unaufhaltsam wächst, dem sicheren Untergang entgegenstrebt. Der Laie hat den Eindruck, dass in den führenden wirtschaftswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen keinerlei Zweifel am Wachstumsdogma bestehen und keine Forschung stattfindet, wie sich eine globale Wachstumsgesellschaft zur zukunftsfähigen Stabilitätsgesellschaft entwickeln könnte. Gott gebe, dass ich unrecht habe und im Verborgenen heftig daran gearbeitet wird.
Tilmann Wolf, Scheidegg