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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 10/2022
Der Inhalt:

Pro und Contra
Ziviler Ungehorsam extrem: Ist das legitim?

Sitzblockaden, Gas abdrehen: Um sich Gehör zu verschaffen, greifen Klimaschutz-Aktivisten teils zu radikalen Maßnahmen. Ist das – weil es der guten Sache dient – akzeptabel? Stimmen Sie hier ab.
vom 24.05.2022
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Klimaschutz um jeden Preis? Aktivisten der Letzten Generation blockieren die Zufahrt zur Berliner Stadtautobahn.(Foto: PA/DPA/Paul Zinken)
Klimaschutz um jeden Preis? Aktivisten der Letzten Generation blockieren die Zufahrt zur Berliner Stadtautobahn.(Foto: PA/DPA/Paul Zinken)

Tobias März:

Ja, wir müssen
jetzt handeln!

Es gibt ein Instagram-Bild mit überschwemmten Autos aus dem Ahrtal, mit dem Text »Wann lässt uns Mutter Natur endlich in Ruhe mit ihren sinnlosen Störungen?« Dieser bittere Witz drückt es gut aus: Es ist hart, wenn unser Alltag erschüttert wird. Aber das ist es, was noch viel dramatischer auf uns zukommt: Fluten, Orkane, Hitzewellen. Dann wird es nicht um einen Stau an der Ampel gehen, sondern um überschwemmte Straßen, knappe Nahrungsmittel, Menschen auf der Flucht. Wenn wir über zwei Grad Celsius hinausschießen, blüht uns das große Chaos. Aber dann ist es wegen der klimatischen Kipppunkte zu spät.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 10/2022 vom 27.05.2022, Seite 8
Neue Heimaten
Neue Heimaten
Wie die Gläubigen ihre Kirche wieder in Besitz nehmen können

Heute haben wir noch eine kleine Chance, das Schlimmste zu verhindern. Also holen wir von der Letzten Generation mit Aktionen wie Straßenblockaden diese Dramatik ins Heute. Wir brauchen eine Regierung, die sofort entschlossen handelt. Noch können wir es schaffen: Raus aus Gas und Kohle, Umdenken in allen Sektoren, Gürtel enger schnallen.

In der Geschichte der Menschheit haben immer wieder Menschen wie Gandhi und Martin Luther King geltende Regeln friedlich gebrochen, um damit auf größeres Unrecht hinzuweisen. Sie hatten viele Feinde, haben es aber geschafft, mit ihren friedlichen Aktionen die Massen zu mobilisieren, sodass am Ende die Menschlichkeit siegte.

Die Kirche kann diesen zivilen Widerstand unterstützen, indem sie ihn anerkennt und uns an unsere fundamentalen Grundwerte erinnert.

Mit unseren Aktionen wollen wir Menschen und Regierung wachrütteln und eine Entscheidung herbeiführen: Wie wollen wir handeln in dieser historischen Situation? Wollen wir so weitermachen, oder wollen wir eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder und unsere Enkel?

Rainer Wendt:

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Nein, mit
Sicherheit nicht!

Von Gesetzeshütern wird die Formel »Gesetz ist Gesetz« erwartet, die jede Form von Protesten, die von Rechtsverstößen begleitet ist, ablehnt. Aber so einfach ist es nicht. Die Geschichte ist voll von Beispielen, in denen Menschen gezielt gegen geschriebene Rechtsvorschriften verstoßen und damit positive Veränderungen bewirkt haben.

Also alles okay, wenn Extinction Rebellion oder andere Gruppen morgens im Berufsverkehr wichtige Verkehrsadern blockieren, sich von Autobahnbrücken abseilen oder wichtige Einrichtungen unserer Infrastruktur sabotieren? Mit Sicherheit nicht. Selbstverständlich berufen sie sich auf positive historische Vorbilder, das sichert den Applaus aus großen Teilen von Politik und Medien. Und doch sind die Unterschiede gravierend.

Es gehört zur Rhetorik radikaler Rechtsbrecher, sich das Etikett »gewaltfrei« anzuheften, das legitimieren soll, Rechtsgüter wie Freiheit, Leben und Gesundheit zu verletzen. Und es gehört zur journalistischen Tragik der Gegenwart, dass eine Prüfung unterbleibt und sie immer wieder als »Aktivisten« verharmlost werden. Doch es ist nicht gewaltfrei, wenn Menschen der Freiheit beraubt werden, sich ungehindert an ihren Zielort zu begeben, wenn Rettungswege blockiert und Unfälle provoziert werden, bei denen Menschen zu Schaden kommen.

Deutschland ist ein demokratischer Rechtsstaat. Nicht allen gefällt, was entschieden wird, aber es ist demokratisch legitimiert. Wenn es »um Leben und Tod« geht, dürfen Regeln aber außer Kraft gesetzt werden, behaupten die Rechtsbrecher unisono, und wann das ist, bestimmen sie selbst. Das darf nicht sein. Wenn jetzt keine klaren Grenzen gesetzt werden, ist der Rechtsstaat am Ende.

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Personalaudioinformationstext:   Tobias März ist Sprecher der »Letzten Generation« und Solar-Ingenieur.

Rainer Wendt ist Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.
Die Umfrage ist vorbei: so haben unsere Leser abgestimmt!

Ziviler Ungehorsam extrem: Ist das legitim?

Sitzblockaden, Gas abdrehen: Um sich Gehör zu verschaffen, greifen Klimaschutz-Aktivisten teils zu radikalen Maßnahmen. Ist das – weil es der guten Sache dient – akzeptabel? Stimmen Sie hier ab.
75 x Ja, wir müssen jetzt handeln
25 x Nein, mit Sicherheit nicht
insgesamt abgegebene Stimmen: 100
75%
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studiosus iuris 28.11.2022, 10:09 Uhr:
@U. Peplow:
Ihre Argumentation baut auf einem ganz gefährlichen Missverständnis auf.
Wenn Sie von "Rechtsstaat" im Zsmh. mit dem NS-Staat und der DDR reden, dann meinen Sie einen "Gesetzesstaat". Hier geht es um den feinen Unterschied von Rechtspositivismus (etwas ist Recht, weil es als solches definiert wurde) und -normativismus (der Kern des Rechts ist - wenn man so will - naturrechtlich vordefiniert und Normen haben sich daran zu messen. Vgl. dazu die RADBRUCH'sche Formel).

Der Begriff "Rechtsstaat" bezeichnet schon per definitionem ein Konstrukt, dass sich an bestimmten Prinzipien, Grund- und Menschenrechten und Werturteilen zu orientieren hat. Beispiele sind der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Gesetzesvorbehalt und -vorrang, Ewigkeitsgarantien, Bestimmtheitsgrundsatz, Rückwirkungsverbot usw.

Das NS-Reich stellte sein gesamtes "Recht", besser Gesetz, unter ein Primat der "Politik"! Prinzipien leiteten sich hier nur aus einer perversierten Ideologie, (vgl. C SCHMITT).

Udo Peplow 24.06.2022:
Wir sprechen davon, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Der NS-Staat und die DDR waren aus ihrer Gesellschaftssicht auch Rechtsstaaten. Unser Rechtsstaat wird sicher in Zukunft, wenn es eine gewandelte Gesellschaft nach großen Katastrophen gibt, zumindest teilweise, vielleicht in wesentlichen Punkten als Unrechtsstaat bezeichnet werden. 1933-1945 haben wir den Begriff »Strafhaft« eingeführt, wenn ein Widerstandskämpfer zu Zuchthaus verurteilt wurde, weil er gegen damaliges Recht verstoßen hat. Heute sind diese wertvollen Menschen Wegweiser. Und so werden es auch in Zukunft die Menschen sein, die Tobias März als Vorbilder hervorhebt. Recht ist nichts Absolutes, sondern ein Spiegelbild einer Gesellschaft. Wir sollten uns fragen, in welcher Gesellschaft wir heute leben.

Günter Hornung 24.06.2022:
Wer demokratisch legitimierte Gesetze respektiert, unterstützt damit unsere freiheitliche Demokratie. Wer Gesetze bewusst verletzt, zieht sich ein Stück weit von dem demokratischen System zurück, in dem diese Gesetze aufgestellt wurden. Das ist brandgefährlich. Demokratie braucht unsere aktive Unterstützung – gerade jetzt!

Insa Geppert 24.06.2022:
Ich wollte, es gäbe viel mehr Menschen wie Tobias März! So viele Menschen in Deutschland wollen nicht auf das kleinste bisschen Wohlstand verzichten und meinen, auf sie käme es nicht an, wenn wir die schöne Erde für unsere Nachkommen retten wollen, oder leben einfach nach dem Motto: Nach mir die Sintflut! Die Aktionen der Umweltschützer können gar nicht drastisch genug sein, um endlich alle darauf aufmerksam zu machen, was wir Menschen der Natur schon angetan haben. Natürlich muss abgewogen werden. Wenn bei einer Straßenblockade Krankenwagen und Feuerwehrautos gestoppt werden, ist das keine friedliche Demo mehr und kann mit einem normalen Gewissen nicht vereinbart werden. Ich halte aber die allermeisten Umweltaktivisten für menschenfreundlich genug, um nötige Grenzen respektieren zu können, und möchte ihnen zurufen: Schreckt die Menschen auf aus ihrer Wohlstandsbehaglichkeit, auch wenn ihr Gesetze verletzt!

Udo Peplow 02.06.2022, 14:09 Uhr:
Wir sprechen davon, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Der NS-Staat und die DDR waren aus ihrer Gesellschaftssicht auch Rechtsstaaten.
Unser Rechtsstaat wird sicher in Zukunft, wenn es eine gewandelte Gesellschaft nach großen Katastrophen gibt, zumindest teilweise, vielleicht in wesentlichen Punkten aus zukünftiger Sicht als Unrechtsstaat bezeichnet werden.
Bei unserem Projekt der verfolgten Sozialdemokraten 1933 – 1945 haben wir den Begriff „Strafhaft“ eingeführt, wenn ein Widerstandskämpfer zu Zuchthaus verurteilt wurde, weil er gegen damaliges Recht verstoßen hat. Heute sind diese wertvollen Menschen Wegweiser. Und so werden es auch in Zukunft diese Menschen sein, die Herr Tobias März als Vorbilder hervorhebt. Recht ist nichts Absolutes, sondern ein Spiegelbild einer Gesellschaft. Wir sollten uns fragen in welcher Gesellschaft wir heute leben.

Günter Hornung 01.06.2022, 09:04 Uhr:
Wer demokratisch legitimierte Gesetze respektiert, unterstützt damit unsere freiheitliche Demokratie.

Wer hier Gesetze bewusst verletzt, zieht sich damit ein Stück weit von dem demokratischen System zurück, in dem diese Gesetze aufgestellt wurden. Das ist brandgefährlich. Demokratie braucht unsere aktive Unterstützung - gerade jetzt!

Insa Geppert 29.05.2022, 16:31 Uhr:
Ja, ich wollte, es gäbe viel mehr Menschen wie Tobias März! So viele Menschen in Deutschland wollen nicht auf das kleinste bisschen Wohlstand verzichten und meinen, auf sie käme es nicht an, wenn wir die schöne Erde noch für unsere Nachkommen retten wollen, oder leben einfach nach dem Motto: Nach mir die Sintflut! Die Aktionen der Umweltschützer können gar nicht drastisch genug sein, um endich alle darauf aufmerksam zu machen, was wir Menschen der Natur schon angetan haben. Natürlich muss abgewägt werden: Wenn bei einer Straßenblockade Krankenwagen und Feuerwehrautos gestoppt werden, ist das keine friedliche Demo mehr und kann mit einem normalen Gewissen nicht vereinbart werden. Ich halte aber die allermeisten Umweltaktivisten für menschenfreundlich genug, um nötige Grenzen respektieren zu können, und möchte ihnen zurufen: Schreckt die Menschren auf aus ihrer Wohlstandsbehaglichkeit, auch wenn ihr Gesetze verletzt! (Siehe Apostelgeschichte 5, 29)

Georg Lechner 28.05.2022, 09:49 Uhr:
Die Polizei kann als staatliche Behörde nicht anders handeln als auf Basis des geltenden Rechts. Was allerdings rechtens ist, muss die vielzitierte Zivilgesellschaft mit Druck auf die Gesetzgebung klären. Denn infolge von Kapitalinteressen kann es sehr wohl zu (vordergründig) unklaren Situationen kommen - Beispiel Wiener Stadtstraße (Aufschließung eines neuen Wohngebiets mit einer vierspurigen Straße, die als Anbindung an die geplante und ministeriell gestoppte Ostumfahrung von Wien von SP, VP und FP forciert wird): Hier berufen sich die Befürworter des vierspurigen Ausbaus auf die abgeschlossenen und genehmigten Planungen, die Gegner sehen die Konterkarierung des Green Deals der EU, der im Stufenbau der Rechtsordnung über nationalem Recht steht. Für die Aufschließung des Wohngebiets reicht eine zweispurige Straße.

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