Pro und Contra
Ein Grunderbe für alle?
Christoph Prüm:
Ja, aus Eigentum erwächst Macht!
Jeder einzelne Mensch hat ein natürliches Recht auf einen angemessenen Anteil an der Erde und ihren Ressourcen. Was ist mein Selbstbestimmungsrecht denn wert, wenn die lebensnotwendigen Ressourcen, die erforderlich sind, um mir Nahrung und Schutz zu verschaffen, alle von Geburt an anderen zugesprochen wurden? Nicht viel. Dann zwingt mich das Schicksal meiner Geburt dazu, denjenigen zu Diensten zu sein, die diese Ressourcen geerbt haben. Die Erben der Welt haben unverdiente Macht über die Nichterben.
Unsere Demokratie wird in ernste Gefahr geraten, wenn es uns nicht gelingt, die Macht, die aus dem Eigentum hervorgeht, breiter zu streuen. Deren Verteilung ist bekannt: Ein Prozent der Menschen besitzt ein Drittel der Republik, zehn Prozent der Menschen besitzen zwei Drittel der Republik, 40 Prozent besitzen praktisch nichts. Diese ungleiche Verteilung wird zwangsläufig sozialistischen Gedanken Vorschub leisten, die tendenziell das Eigentum, als Institution der persönlichen Freiheit, aushöhlen. Das möchte ich vermieden wissen. Ich schätze und achte den Menschen in seiner Autonomie und seiner Eigenverantwortlichkeit, das macht ihn letztendlich aus. Ein Grunderbe wird die Einübung und Festigung dieser Autonomie auf exzellente Weise fördern.
Ich denke, wer unbefangen hinschaut auf die Welt, der kann erkennen, dass es den Kern des christlichen Abendlandes ausmacht, den Wert des Einzelmenschen im Bewusstsein der Welt zu etablieren. Das ist es, was uns für Menschen aller Couleur so attraktiv macht. Diese Aufgabe wird dann erfüllt sein, wenn jedem Einzelnen herkunftsunabhängig und wertschätzend sein persönlicher Anteil an der gemeinsamen Welt als sein originäres Geburtsrecht zum freien Tun übergeben wird.
Christoph Butterweggge:
Nein, das ist
nicht sozial!
Das Grunderbe ist eine Variante des bedingungslosen Grundeinkommens. Jungen Menschen soll es zwecks Vermögensbildung als Einmalzahlung zur Volljährigkeit oder mit 30 Jahren gewährt werden. Wie jedes Grundeinkommen ist diese Idee des Grunderbes allerdings weder sozial noch sachgerecht.
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»Das Ende des billigen Wohlstands«
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Einerseits bleibt das drängende Problem der Kinderarmut ungelöst, weil die Unter-18-Jährigen (zunächst) leer ausgehen. Darüber hinaus muss es Millionen armen Familien, Rentnerinnen und Minijobbern wie Hohn erscheinen, dass junge Erwachsene über Nacht zu »kleinen Kapitalisten« gemacht werden sollen.
Andererseits würde sich an der bestehenden Verteilungsschieflage wenig ändern. Ein junger Millionär würde reicher, während ein junger Müllwerker oder eine junge Minijobberin zwar ein kleines Vermögen bilden könnte, ohne dass sich aber ihr finanzieller Abstand zu dem Millionär verringern würde. Dass der junge Millionär zur Refinanzierung des Grunderbes beitragen müsste, erscheint angesichts der gegenüber einer Vermögensteuer ohne höhere Freibeträge bestehenden Vorbehalte unwahrscheinlich.
Weil das Grunderbe alle seine Bezieher und Bezieherinnen über einen Leisten schlägt, schafft es keine Gerechtigkeit. Weder spielt der individuelle Bedarf noch die unterschiedliche Leistung eine Rolle. Schon die griechischen Philosophen der Antike wussten aber, dass man Gleiche gleich und Ungleiche ungleich behandeln muss, soll es gerecht zugehen. Mit einer Verteilungspolitik nach dem Gießkannenprinzip ist sozial Benachteiligten kaum gedient. Nötig wäre die Umverteilung des privaten Reichtums von oben nach unten, verbunden mit einer passgenauen Unterstützung der Armen.
Christoph Prüm hat die Stiftung »Ein Erbe für jeden« initiiert. Er ist selbstständiger Heizungsbaumeister mit Schwerpunkt regenerative Energien im bayrischen Meinheim.
Christoph Butterwegge hat von 1998 bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität Köln gelehrt und mit Kuno Rinke das Buch »Grundeinkommen kontrovers. Plädoyers für und gegen ein neues Sozialmodell« (Beltz Juventa 2018) herausgegeben.
Patrick Schlosser 09.11.2023, 13:22 Uhr:
Ich bin 36 Jahre alt, arbeite in einer Behindertenwerkstatt, verdiene dort 290€ unter Vollzeitbeschäftigung und bin auf Grundsicherung angewiesen, an die mein Lohn angerechnet wird. Aus diesem Text geht für mich hervor, dass ich nicht berücksichtigt werde, weil ich nicht mehr 18 werde. Allerdings gelte ich eindeutig als bedürftig. Ich habe auch Träume und Wünsche. Sollen die mir verwehrt bleiben, weil ich finanziell nie auf einen grünen Zweig käme? Diese Unterstützung wäre sehr fair, weil ich jahrelang schon vom politischen System ausgebeutet werde. Die grundsätzliche Idee ist super, aber es sollte nur nach Bedürftigkeit und nicht nach dem Alter gehen.
Luca 03.11.2023, 14:17 Uhr:
Ich finde die Idee gut, Aufstiegschancen für alle zu ermöglichen. Was ich nicht verstehe, und als Vollzeitbeschäftigter 33jähriger ohne Startkapital auch nicht mittragen werde, ist ein Grunderbe für eine bestimmte Altersgruppe. Entweder geht es nach Bedürftigkeit, was erheblichen bürokratischen Aufwand bedeutet, oder es wird ausnahmslos jeder Bürger beschenkt. Alles andere ist diskriminierende Ungerechtigkeit und wird alle Bürger über 18 verprellen, vor allem die in unteren Einkommensschichten.
Michael Z. 02.11.2023, 11:11 Uhr:
Laut dem Antrag des Jusos-Bundesvorstands, der dem Tagesspiegel vorliegt, soll dieses Grunderbe nur an den Wohnsitz in Deutschland gekoppelt sein und unabhängig vom Aufenthaltsstatus ausgezahlt werden.
Was das wieder für Leute anlocken würde...
Dirk von Hugo 08.07.2022:
Ein junger Millionär würde zwar etwas reicher (um maximal zwei Prozent), aber da er das Zusatzeinkommen wohl stärker versteuern müsste als der Unterprivilegierte auch wieder nicht so sehr. Wie beim bedingungslosen Grundeinkommen würden mit dem Grunderbe für alle kleine Treppen gebaut – ob die zum Aufstieg genutzt werden oder nicht, ist allerdings eine andere Frage.
Gustav Haab 08.07.2022:
Allein die Erfahrungen der Kreditwirtschaft lehren uns, dass es wenige Menschen gibt, die verantwortlich mit dem Geld umgehen können! Die Schuldnerberatung spricht Bände. Im Gegenzug plädiere ich für ein bedingungsloses Grundeinkommen, das an die soziale Lage und persönliche Situation angepasst ist!
Kathrin Barlag 08.07.2022:
Ja, es gibt vermögende Erben oder Erblasser, die das ernst meinen, dass sie lieber in einer Gesellschaft ohne allzu große soziale Unterschiede leben möchten oder auch nur in einer gerechteren. Es sollte für sie einen praktikablen Weg geben, um gezielt diejenigen zu unterstützen, die keine Chance auf ein Startkapital haben. Diesen Weg entwickelt die von Christoph Prüm ins Leben gerufene Stiftung »Ein Erbe für jeden« mit ihrem Grunderbeprojekt. Es vergibt einige Grunderbe. Jeder, der sich angesichts seines unverdient Ererbten unwohl fühlt – was ihn ja auszeichnet –, kann ähnlich handeln oder sich ihr anschließen. Man muss nicht immer nach dem Staat rufen oder auf ihn warten. Auch jeder privat organisierte Erbausgleich macht Sinn.
Dirk Hugo 20.06.2022, 19:16 Uhr:
Ein junger Millionär würde zwar etwas reicher (um maximal 2%), aber da er
das Zusatzeinkommen wohl stärker versteuern müsste als der Unterprivilegierte auch wieder nicht so sehr. Wie das bedingungslose Grundeinkommen würden so kleine Treppen gebaut - ob die zum Aufstieg genutzt werden oder noicht, ist allerdings eine andere Frage (der Veranlagung, des starken Willens, der Nutzung von Informations- und Unterstützungsmöglichkeiten usw.)
Christoph Prüm 20.06.2022, 04:35 Uhr:
@Gustav Haab:
Sie tun sicher den allermeisten Menschen Unrecht mit Ihrer Behauptung dass sie nicht verantwortlich mit Geld umgehen können. Nach einer Untersuchung der Sparkassen machen zwei Drittel der jungen Menschen zwischen 17 und 27 Jahren "ernsthafte Sparanstrengungen". Das entspricht ziemlich ganau auch unseren Umfragen. Und die, die (noch) nicht mit Geld, bzw. Besitz, Kapital umgehen können, müssen die es nicht lernen? Ist das menschenwürdig alle in ein unmündiges Versogungssystem zu stecken weil einige (ökonomische) Freiheit und Selbstbestimmtheit noch nicht können?
20.000€ für jeden der privat nichts erbt, ist nichts, was die Volkswirtschaft in irgend einer Weise belasten würde, ganz im Gegenteil. Verbunden mit einer Karenzzeit von z.B. 3 Jahren, nach der das angelegte Geld erst frei verfügbar ist, wäre das Grunderbe DIE Hilfe zur Selbständigkeit und Eigenverantwortung, die ein Teil unserer Gesellschaft so dringend braucht -nach Ihrem eigenen Zeugnis.
Gustav Haab 19.06.2022, 17:21 Uhr:
Allein die Erfahrungen der Kreditwirtschaft lehren uns, dass es wenige Menschen gibt, die verantwortlich mit dem Geld umgehen können! Die Schuldnerberatung spricht Bände.
Im Gegenzug plädiere ich für ein bedingungsloses Grundeinkommen, das an die soziale Lage und persönliche Situation angepasst ist!
Kathrin Barlag 18.06.2022, 10:26 Uhr:
@Daniela Messerer:
Ja, es gibt einen vermögenden Erben oder Erblasser, die das ernst meinen, dass sie lieber in einer Gesellschaft ohne allzu große soziale Unterschiede leben möchten oder auch nur in einer gerechteren. Es sollte für sie einen praktikablen Weg geben, um gezielt diejenigen zu unterstützen, die keine Chance auf ein Startkapital haben. Diesen Weg entwickelt und geht die Stiftung „Ein Erbe für jeden“ mit ihrem Grunderbeprojekt. Jeder, der sich angesichts seines unverdient Ererbten unwohl fühlt - was ihn ja auszeichnet - kann ähnlich handeln oder sich ihr anschließen.
Man muss nicht immer nach dem Staat rufen oder auf ihn warten. Auch jeder privat organisierte Erbausgleich macht Sinn; Sinn für das Land, Sinn für den Empfänger aber auch Sinn für den Geber. Der Berner Liedermacher Manni Matter hat das in einem kleinen Lied schön auf den Punkt gebracht: Dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser wos weniger guet geit... www.youtube.com//watch?v=25o18fKyf9s
Christoph Prüm 12.06.2022, 09:49 Uhr:
Das Grunderbe ist keine Variante des Grundeinkommens. Einem jungen Menschen ein Starkapital (Grunderbe) zu geben ist etwas anderes als ihm, schon bevor er sich wirtschaftlich beweisen konnte, eine Art lebenslange Rente (Grundeinkommen) anzudienen.
Das Grunderbe mindert die Kinderarmut, indem es jungen Erwachsenen ein Startkapital zukommen lässt und sie zu Aktivitäten anregt. Die richtigste und nachhaltigste Art Kinderarmut zu vermeiden ist es, den jungen Eltern wirtschaftlich auf die Beine zu helfen. Das ist besser, als Menschen schon mit jungen Jahren an Sozialhilfe zu gewöhnen.
Dass auch ein Grunderbe, das unterschiedslos allen, Armen und Reichen, gegeben wird deutlich die Vermögensungleicheit senkt, hat das DIW (dort Stefan Bach) nachgewiesen: https://bit.ly/3aX1ARw . Es gibt aber auch Modelle zum Grunderbe, die reichlich bedachte Erben von dessen Empfang ausschließen: https://ein-erbe-fuer-jeden.de/das-grunderbe#vorschlaggrunderbe .
Daniela Messer 11.06.2022, 17:56 Uhr:
Studien zeigen, dass sich die meisten Menschen (Arme UND Reiche) wünschen, in einer Gesellschaft ohne große soziale Unterschiede zu leben. Und doch taumelt unser Land mit zunehmender Geschwindigkeit gerade ins genaue Gegenteil und riskiert dadurch den sozialen Frieden. Die Regierung sollte unbedingt durch Regulierungen wie diese das natürliche Gefälle von Finanzkraft zu regulieren, gerade weil sozial Schwache nicht dazu in der Lage sind und zu wenige Reiche ihre Verantwortung wahrnehmen und solidarisch handeln. Mit einer entschiedenen und umfassenden Hinwendung zur sozialen Gerechtigkeit wird das Leben für alle Menschen ein besseres werden.
Georg Lechner 09.06.2022, 15:46 Uhr:
Es braucht eine massive Umverteilung, aber eben orientiert an der Kritik von Christoph Butterwege. Die Mittel sollten aus der Umleitung bisheriger Steuergeschenke (an Apple, Amazon & Co - nach Schätzung von EP-Vizepräsident Otmar Karas 825 Milliarden € jährlich EU-weit) und der Verhinderung von Steuerflucht durch verpflichtende Transparenzregeln (in vergleichbarer Größenordnung) kommen.