Rechtsruck bei der Europawahl
»Gott ist ein Freund der Freiheit«
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Publik-Forum: Herr Essen, bei der Europawahl sind die Rechten und die Populisten aller Art massiv gestärkt worden. In Frankreich gibt es daher sogar Neuwahlen. War das eine Schicksalswahl für die Demokratie in Europa?
Georg Essen: Ja. Die normative Selbstentkernung des Liberalen schreitet voran. Die autoritären populistischen Parteien sitzen nicht nur in mehreren Regierungen, sondern sind nun auch im Europaparlament stark. Das kann zu Blockaden und neuen Allianzen führen. Dazu kommt eine hochkomplexe geopolitische Lage. Der Krieg ist zurück in Europa, die Wirtschaftspolitik gegenüber China ist heikel. Gut möglich, dass Donald Trump bald wieder Präsident der Vereinigten Staaten wird. Da wünschte man sich ein Europa, das liberale Werte der Aufklärung
Hermann Pütter 12.07.2024:
Freiheit bedeutet die Möglichkeit, verantwortlich zu handeln. Diese Sicht hat sich geändert. Freiheit bedeutet heute, nach eigenem Gusto handeln zu können. Wehe, wenn Verzicht zugunsten von Natur oder zukünftigen Generationen gefordert wird; das ist antiliberal! Im Laudato sí von Papst Franziskus heißt es: »Während die Menschheit des postindustriellen Zeitalters vielleicht als eine der verantwortungslosesten in die Geschichte eingehen wird, ist zu hoffen, dass die Menschheit vom Anfang des 21. Jahrhunderts in die Erinnerung eingehen kann, weil sie großherzig ihre schwerwiegende Verantwortung auf sich genommen hat.« Ob die Rückkehr der Verantwortung nicht das Gegenteil dessen bewirken würde, was Georg Essen behauptet, nämlich dass freie Gesellschaften immer fragil, ihre Ordnungen immer prekär sind? Auch die These, dass es politisch riskant sei und deshalb unwahrscheinlich, auf Freiheit zu setzen, pflegt ein merkwürdiges Menschenbild. Ist der liberale Homo oeconomicus so sehr theologischer Standard? Da wirkt der Hinweis auf Gottes Intention nur hilflos.
Maria und Josef Grundner 12.07.2024:
Es ist nicht so leicht, die Begriffe Gott und Freiheit zusammenzubringen. Dazu müsste man erst den riesigen Berg der Schuld zur Seite räumen, den die Kirche auf sich geladen hat, indem sie sich auf die Seite der Mächtigen gestellt hat und ein Gottesbild gepflegt hat, das genau diese Erzählung stützte. Ganz besonders Frauen mussten unter dieser Situation leiden. Die Kirche müsste sich intensiv mit der Frage auseinandersetzen, ob sie in dieser Zeit überhaupt noch gebraucht wird. Auch der Missbrauch konnte nur in einer Kirche geschehen, die glaubte, Macht über die Menschen zu haben.
Wolfgang Schuchert 12.07.2024:
Freiheit ist ein Begriff, mit dem man von einem Paradies ohne Grenzen träumen kann. Aber wird es nicht Zeit, endlich der Realität ins Auge zu sehen, dass Freiheit aufgrund der Klimaerwärmung, Knappheit an Ressourcen und Überbevölkerung immer mehr eingeengt wird und Freiheit außerdem Kriege auslöst, wenn Nationalisten und Politiker auf Freiheit, Liberalismus pochen und diese mit Waffengewalt verteidigen wollen, wo andere sich verletzt und umgangen fühlen? Verbirgt sich hinter dem Mäntelchen der Freiheit nicht auch ein ungezügelter Markt, der in seiner Herrlichkeit und Hässlichkeit für Sozialabbau und die Allmacht der Unternehmerschaft steht, wo Superreiche mit ihrem Vermögen machen können, was sie wollen? Deshalb bitte ich die Kirche darum, mit dem Zauberwort Teilen dem Unwort Freiheit endlich den Garaus zu machen. Denn zu viel Freiheit fördert unsolidarisches Verhalten und Rücksichtslosigkeit und züchtet Egoismus, Individualismus, Nationalismus und Habgier. Wann kapiert der Westen endlich, dass Wachstum und Freiheit nicht die Lösung, sondern das Problem ist?
Maria u. Josef Grundner 20.06.2024, 15:32 Uhr:
Es ist nicht so einfach, die beiden Begriffe Gott und Freiheit zusammenzubringen. Dazu müsste man erst den riesigen Berg der Schuld zur Seite räumen, den die Kirche auf sich geladen hat, indem sie sich auf die Seite der Mächtigen gestellt hat und ein Gottesbild gepflegt hat, das genau diese Erzählung stützte. Ganz besonders mussten Frauen unter dieser Situation leiden. Die Kirche müsste sich sehr intensiv mit der Frage auseinandersetzen, ob sie in dieser Zeit überhaupt noch gebraucht wird. Ich bin überzeugt,die Kirche im jetzigen Zustand brauchen Menschen nicht mehr. Auch der Missbrauch konnte nur in einer Kirche geschehen, die glaubte, Macht über die Menschen zu haben.
Herbert Sauer 13.06.2024, 19:47 Uhr:
Herzlichen Dank Herr Prof. Essen. Besonders haben mir folgende Aussagen gefallen und wären weiter zu vertiefen und umzusetzen: "Die Kirchen sollten den Staat ermahnen, die Schwachen zu schützen. Sie sollten nicht länger der moralische Transmissionsriemen des Staates sein, sondern Sand im Getriebe der Mächtigen." "Politik und Religion muß neu verordet werden, damit der gesellschaftliche Aufbruch dazu führen würde, dass die Menschen immer mehr Freiheit und Demokratie wagen und die Religion Motor des Fortschritts ist." und fettgedruckt: "Wir begreifen diese Welt mit ihren Konflikten nicht, wenn wir religiös ahnungslos sind." Vielleicht ist die Zeit reif und wenn nicht, dann wir es in den nächsten Generationen geschehen, denn "Fortschritt ist ein Gesetz Gottes" und sein Wort gilt immer noch:"Es werde Licht!"