Seelenamt für vergängliche Ideale
Musik. Das Klavier tut ganz harmlos. Während es klimpert, singt Schorsch Kamerun freundlich über Kindheit und Freundschaft, hebt kaum die Stimme, die vom Klavier umschmeichelt wird. Doch nahezu unmerklich verwandelt sich das Lied »Gegen gerade«, wird eine Absage an Vereinnahmungsversuche, dann kippt die Stimme, wird brüchig, ein leises Schreien fast, und es folgt eine bitterböse Abrechnung mit Beliebigkeit und Inkonsequenz.
Wer den Hamburger, der bürgerlich Thomas Sehl heißt, kennt – als Mastermind der Band Goldene Zitronen und sperrigen Theatermacher –, für den dürfte sein neues Projekt eine Überraschung sein. Raison, das ist ein Trio mit PC Nackt und Mense Reents, aber das Debütalbum »So viele Menschen wie möglich« klingt ganz anders, als man es erwarten konnte. Statt vom Punk sozialisiertes Gelärme mit radikal linker Botschaft sind die Songs zurückhaltend, ja fast brav arrangiert.
Bestes Beispiel: Aus dem Ton-Steine-Scherben-Klassiker »Allein machen sie dich ein« – im Original ein wütender, aufrüttelnder Aufruf an die Unzufriedenen sich zu organisieren – wird ein spartanisch instrumentiertes Requiem, das nahezu stillsteht – und das man lesen könnte als Abgesang auf den Einfluss linker Ideologie auf die Massen. Es sind seine alten Themen, mit denen sich Kamerun beschäftigt. Nicht nur in einem Song wie »Aktien und Effekte« wird der Kapitalismus und dessen Auswirkungen auf den Menschen analysiert, nicht nur in »Schöner Moment ohne Rassismus« das linke Selbstverständnis hinterfragt. Weniger im Text, aber dafür umso deutlicher in der weit vom Punk entfernten, nahezu geisterhaften, aber auch unwirklich schönen Musik stecken der Zweifel und die Resignation. Das Ergebnis ist ein Seelenamt auf die Vergänglichkeit auch der größten Ideale.
möglich« (Buback/Indigo)