Die »jugoslawischen« Probleme Europas
Weiterlesen mit Ihrem Digital-Zugang:
Weiterlesen mit Ihrem Digital-Upgrade:
- Ergänzend zu Ihrem Print-Abonnement
- Mehr als 34.000 Artikel auf publik-forum.de frei lesen und vorlesen lassen
- Die aktuellen Ausgaben von Publik-Forum als App und E-Paper erhalten
- 4 Wochen kostenlos testen
Jetzt direkt weiterlesen:
- diesen und alle über 34.000 Artikel auf publik-forum.de
- die aktuellen Ausgaben von Publik-Forum als App und E-Paper
- 4 Wochen für nur 1,00 €
Norbert Mappes-Niediek
Die Ethno-Falle
Ch. Links. 222 Seiten. 14,90 EUR
Eine Folge der schrecklichen Terroranschläge vom 11. September 2001 ist die Rückkehr der Ethnisierung der internationalen und der nationalstaatlichen Politikkonzepte. Plötzlich steht das Trennende und nicht mehr das alle Menschen Verbindende im Mittelpunkt. Der Autor, langjähriger Südosteuropa-Korrespondent und zeitweiliger UN-Berater, hält für das EU-Europa eine brisante These parat: Der blutige Zerfall Jugoslawiens war keine Wiederkehr lange verdrängter Konflikte, sondern das konsequente Ende eines historischen Irrwegs. Das Dogma des »ethischen Gleichgewichts« zwischen den Volksgruppen habe Jugoslawien zerstört. Diese Probleme, an denen das Land laborierte und letztendlich zu Grunde ging, seien in Europa zur gleichen Zeit wieder auf die politische Tagesordnung gerückt. Visionär fügt der Autor an: »Dass der Westen sich so überlegen und in allem ?weiter? wähnt, hat Europa bisher daran gehindert, aus den Kriegen der 1990er Jahre Lehren zu ziehen - Die Europäische Union ist viel zu hochmütig, um zu begreifen, wie jugoslawisch ihre Probleme sind.« Im Umkehrschluss könnte dies heißen, dass die EU das gleiche Schicksal wie Jugoslawien ereilen wird, wenn sie ihre Politik nicht radikal ändert. Auf Deutschland gemünzt legt der Autor den Finger in die Wunde: »Ein Staat, der den christlichen Kirchen eine besondere Rolle gibt, ihnen einen Teil des Schulunterrichts und des Gesundheitswesens überlässt und für sie Steuern erhebt, wird auf Dauer nicht umhinkommen, Millionen Muslimen die gleichen Rechte einzuräumen.« Wenn man weiter Minderheiten diskriminiere, werde dies nicht ohne eine Klagewelle abgehen. Sein Ratschlag sollte nicht nur von der EU beherzigt werden: »Das Schicksal Jugoslawiens zeigt aber, dass der kollektive Weg noch viel problematischer ist.« Dem Autor muss jedoch entschieden widersprochen werden, wenn er behauptet, dass die Sonderstellung der christlichen Kirchen in einigen europäischen Verfassungen zu den »Relikten einer vorliberalen Epoche« gehörten. Für Deutschland trifft dies nicht zu. Ohne die Arbeit der Kirchen im Bildungsbereich, der Gesundheitsvorsorge, der Pflege sowie der Hospiz-Bewegung gingen in diesem Lande sozialpolitisch und humanitär die Lichter aus. - Ein Buch, das von der politischen Elite in Europa ernst genommen werden sollte.