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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 13/2022
Der Inhalt:
Politik & Gesellschaft

Kirchenaustritte
Das große Kirchensterben

Der Niedergang der Institution ist auch ein Kulturverlust. Er hat Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft. Es gibt keinen Glauben ohne eine ihn tragende Institution. Ein Kommentar.
von Michael Schrom vom 06.07.2022
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Kirche im freien Fall? Nur den Niedergang der Kirche zu beklatschen, ist kurzsichtig. (Zeichnung: Plassmann)
Kirche im freien Fall? Nur den Niedergang der Kirche zu beklatschen, ist kurzsichtig. (Zeichnung: Plassmann)
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Man kann die gigantische Kirchenaustrittswelle (die evangelische Kirche verlor 2021 280 000 Mitglieder, die katholische 360 000) als wütende Emanzipationsgeschichte deuten. Diese Interpretation bietet sich vor allem für die katholische Kirche an. Hier sind gleich mehrere Agreements und fromme Lebenslügen geplatzt.

Lange Zeit hat man sich darauf hinausgeredet, dass die Austretenden sich lediglich die Kirchensteuer sparen wollten. Bei der jetzigen Welle aber ist der Hauptgrund der Unmut über Zustand und Verfassung der Institution. Geplatzt ist die katholische Lebenslüge, wonach man Lehre und Struktur so lassen könne, weil die Basis schon ihre modi vivendi finden werde. Heute sagen viele: Einer Organisation, die einerseits mein Privatleben reglementieren will, andererseits die sexualisierte Gewalt

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Reinhold Müller 05.08.2022:
Ich bin nach wie vor Mitglied der evangelischen Kirche. Was bei Spekulationen über Austrittsgründe völlig vergessen wird: Die Kirche muss sich von innen her erneuern. Der Schöpfer, der das Universum und mehrere geistige Reiche geschaffen hat, benötigt kein Menschenopfer (Jesus), um uns unsere Missetaten zu vergeben. Also weg mit dem Sühneopfer. Weg mit der Erbsünde! Alles mittelalterliches Denken. Konfession hat sich endlich mit Naturwissenschaft zu verbinden.

Wilfried Steen 05.08.2022:
Warum heißt die Überschrift »Das große Kirchensterben«? Wäre nicht »Meta-Nation der Getauften« für den Artikel mit seinen aufbauenden Gedanken angemessener gewesen? Diese Gedanken zeigen eine lebendige Alternative auf in einer Gesellschaft, die Erlösung im Diesseits sucht und den Tod hinter die Mauern der Seniorenresidenzen verbannt. Wenn die religiöse Dimension verdrängt wird und sie höchstens zur Selbstoptimierung benötigt wird, braucht es keine Kirche mehr. Ich möchte Sie bestärken, weiterhin Artikel zu publizieren, die Kirche in ihren unterschiedlichsten Gestalten als einladende und tröstende Gemeinschaft aufzeigen. Interviews wie mit Tomáš Halík oder »Neue Heimaten« sind gute Beispiele dafür. Ich selbst bin Mitglied der Besuchsdienstgruppe unserer evangelischen Gemeinde und erlebe, wie sehr Menschen auf der Suche nach Trost und einer befreienden Hoffnung angesichts von Krankheit und Einsamkeit sind. Diese Gemeinschaft von Menschen, die sich auf die Suche nach dem Sinn ihres Lebens im Zeichen des Auferstandenen begeben, ist schlicht unverzichtbar. Sie bleibt das Salz der Erde. Danach lohnt sich zu suchen.

Bernhard Weber 05.08.2022:
Sie schreiben zweierlei: Zum einen gelb hervorgehoben: »Es gibt keinen Glauben ohne eine ihn tragende Gemeinschaft.« Zum anderen heißt es im Text: »Denn es gibt keinen Glauben ohne eine ihn tragende Institution.« Das sind verschiedene Dinge. Mit Dorothee Sölle stimme ich überein, dass es einer Gemeinschaft bedarf, aber keiner Institution. In ihrem Buch »Mystik und Widerstand« beschreibt sie unter anderem die Quäker, eine sehr lebendige Gemeinschaft, die im Glauben verankert ist. Der aktuellen Kirche muss man widerständig begegnen und austreten.

Ingrid Baer 05.08.2022:
Was in Ihrem Kommentar ausgespart wurde, ist die politische Seite der Kirchenaustritte. Ich beobachte seit mehreren Jahren, dass die politische Haltung der evangelischen Kirche mehr und mehr nach links gerückt ist, was derzeit bedeutet, dass mehr oder weniger alles Regierungshandeln unkritisch begrüßt und positiv gesehen wird, Kritik unerwünscht. Menschen mit einer anderen politischen Auffassung finden sich in der Kirche kaum noch wieder, und besonders krass zeigte sich das während der Corona-Krise. Nachdem so viele Menschen geängstigt und zur Isolation getrieben wurden, um eine Ansteckung zu vermeiden, hätte man von der Kirche erwartet, dass sie Trost spendet und den verängstigten Gläubigen einen Halt gibt. Stattdessen wurde ihnen der Zutritt zu den Kirchen ohne entsprechende Tests oder Impfpass verweigert.

ReinholdMüller 14.07.2022, 12:33 Uhr:
Ich bin nach wie vor Mitglied der evang. Kirche. Was bei Spekulationen über Austrittsgründe völlig vergessen wird : Die Kirche muss sich von
innen her erneuern. Der Schöpfer, der das Universum und mehrere geistige Reiche geschaffen hat, benötigt kein Menschenopfer (Jesus) um uns unsere Missetaten zu vergeben. Also weg mit dem Sühneopfer.
Weg mit der Erbsünde ! Alles mittelalterliches Denken.
Und ich könnte weiter machen, will es aber Ihnen ersparen.
Konfession hat sich endlich mit Naturwissenschaft zu verbinden. Bisher wurstelt jeder in seinem Fachbereich vor sich hin.
Liebe Grüße von Reinhold Müller

Georg Lechner 08.07.2022, 15:42 Uhr:
"Eintritt in eine pneumatische Kommune": Genau als solche werden vor allem die beiden Großkirchen nicht wahrgenommen. Daneben hätten so manche konventionell orientierte Mitglieder ein Problem mit einem derartigen Selbstverständnis, denn die "familialen, tribalen, nationalen Besessenheiten" werden insbesondere von den Trottoirblättern tradiert - und das seit Jahrzehnten. Die Selbstentmündigung in der täglichen Abstimmung am Kiosk hat auch deutlich sichtbare Folgen im politischen Wahlverhalten. Nur groben Erschütterungen der letzten Jahre (wie Ibiza-Video oder Bekanntwerden der Chats von Thomas Schmid) ist es zu verdanken, dass der Zug der letzten Jahrzehnte etwas aus dem Geleise geraten ist.

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