Filmtipp
Lucia weiß, wer sie ist
Kino. Nach langer Zeit besucht Ane, eine Künstlerin, wieder einmal ihre Angehörigen in den baskischen Pyrenäen. Unter ihren drei Kindern – Papa wird später nachkommen – befindet sich besonders das jüngste in gedrückter Stimmung. Das achtjährige Kind mit den langen Haaren heißt offiziell Aitor und gilt als Junge, will aber wenn überhaupt Cocó genannt werden. Bereits der Schulbesuch daheim im französischen Bayonne verursacht Cocó Bauchweh. Wie soll Cocó erst geplante Feste wie das Johannisfeuer, eine Kindstaufe, und besonders das Freibad überstehen? Zwar gibt es am Pool zwischen dem bockigen Kind und seiner hilflosen Mutter tatsächlich Stress. Trotz scheeler Blicke aber erweist sich die katholische Großfamilie als geschützter Raum für das still verstörte Kind. Eine Cousine, mit der es Streifzüge durch die Natur unternimmt, und Tante Lourdes, der es bei ihrer Arbeit als Imkerin und Heilerin über die Schulter schaut, haben keine Scheu davor, das Kind so zu bezeichnen, wie es sich fühlt: als Mädchen. In diesem Drama wird behutsam und eingebettet in eine komplexe familiäre Struktur das Schlagwort »Geschlechtsdysphorie« anschaulich gemacht. Wie ein Seismograf registriert das Kind die unausgesprochenen Konflikte zwischen den Erwachsenen. Auf der Suche nach Orientierung identifiziert sich Cocó mit der heiligen Lucia und will auch mit diesem Namen angesprochen werden. Auch die Skulpturen der Mutter inspirieren sie. Wirken trotz der dezenten Inszenierung manche Momente etwas übergriffig, so überzeugt dieses Coming-out doch durch die junge Hauptdarstellerin Sofia Otero. Für ihre Rolle eines trans-identen Kindes wurde sie auf der diesjährigen Berlinale ausgezeichnet.
? 20 000 Arten von Bienen (Spanien 2023),
Film von Estibaliz Urresola Solaguren, 128 Min.
Ab 6 J.