Realistisch hoffen
Ist das nun das alte Spiel zwischen Optimisten und Pessimisten? Mitnichten. Lecomte ist der Positiven Psychologie verpflichtet, die klärt, unter welchen Bedingungen sich Einzelne und Gruppen entfalten und einen konstruktiven Beitrag leisten. Und er kommt vom Konvivialismus her, einer neuen französischen politischen Philosophie, die von einer der Menschheit gemeinsamen Sozialität, Individuation und Konfliktbeherrschung ausgeht. Und von der optimistischen Version, dass »alle Menschen die Anlage zur Güte in sich haben, die sich entweder entfalten oder abschwächen kann«.
Wohlgemerkt: die Anlage, was bedeutet, dass die Lebensumstände mitentscheiden, ob Güte praktisch wird oder nicht. Der Konvivialismus mit seinem »Konvivialistischen Manifest« – von lateinisch con-vivere: zusammenleben – ist heute im Französischen gebräuchlich. Ihn prägen eine antiutilitaristische, moralische Überzeugung, eine transformatorische Kunst des Zusammenlebens und eine Minimaldoktrin, die in Konkurrenz zu den großen politischen Ideologien des 20. Jahrhunderts tritt. Als Erster hat Ivan Illich (1926-2002), Philosoph, Theologe, Pädagoge und Priester, 1975 den Begriff in seinem Werk »Selbstbegrenzung« geprägt. Hier kann die Degrowth-Bewegung andocken. Die Positive Psychologie ist unter manchem Aspekt kritisch zu sehen. Worum es ihr allerdings nicht geht: realistische Problemanzeigen und Probleme zu übertünchen oder zu leugnen. Vielmehr versucht sie, mit »realistischer Hoffnung« ausgewogen Lagen, Risiken und Chancen auszuloten. In diesem Sinne zeigt Lecomte, wozu »Schwarzmalerei« eingesetzt wird, wie eine einseitige Sicht auf die Welt lähmt, zu autoritärer Politik verleitet und den »Mythos vom Untergang« zu deren Gunsten befeuert.
Publik-Forum EDITION
»Das Ende des billigen Wohlstands«
Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr
Das Gegenteil ist, die konstruktiven Sichtweisen und Emotionen zu stärken. Das leistet Lecomte, indem er zur Lebenslage der Menschheit, zur Gesundheit der Menschen, zur Umweltsituation und zur Kriegs- und Gewaltfrage 18 ganzseitige Schaubilder mit anschließender Erläuterung zu den humanen, sozialen, zivilisatorischen und ökologischen Fortschritten bietet. Ähnlich wie die regelmäßige Grafik zu »Früher war alles schlechter« im Spiegel, in der Fortschritte gezeigt werden. Ähnlich auch wie etliche Beiträge in Publik-Forum. Daraus ergeben sich mindestens »50 Gründe, optimistisch zu sein«. Um einander zu stärken statt zu lähmen.