Als gäb’s kein Morgen
Kino. Erst 2013 erschien unter dem Titel »Der Gang vor die Hunde« die ungekürzte Originalfassung von Erich Kästners 1931 veröffentlichtem Romanklassiker »Fabian«. Sie dient als Grundlage dieser Verfilmung, in der nicht nur die einst zensierten Szenen berücksichtigt, sondern in einer kunstvoll anachronistischen Inszenierung das Berlin von gestern in der Metropole von heute gespiegelt wird. Fabian, der Flaneur, selbsternannte Moralist, Dr. phil. und Werbetexter mit schriftstellerischen Ambitionen, ist seinem Schöpfer Erich Kästner nicht unähnlich – und doch, als Bohemien in prekärer Lage, ein ganz heutiger Held. Mit Freund Labude, Sohn aus reichem Haus, der seit Jahren an seiner Doktorarbeit feilt und an die Verheißungen des Sozialismus glaubt, und Herzensdame Cornelia, die sich zwischen einer Karriere als Anwältin und ihrer Sehnsucht, Schauspielerin zu werden, entscheiden muss, streift er durch das zügellose Berliner Nachtleben. In Clubs und Bordellen wird gefeiert, als gäb’s kein Morgen. So ist auch dieses Filmdrama über die Weimarer Ära vom Ende her gedacht. Und doch fehlen die gewohnten »Cabaret«-Klischees. Stattdessen wechseln historische Kulissen mit Streiflichtern auf das Hier und Jetzt, dokumentarische Stummfilmaufnahmen mit wilden Kameraschwenks auf Underground-Szene und U-Bahn von heute. Kästners Vorahnung, unser Wissen um den kommenden Zivilisationsbruch und die Zeugnisse der stattgefundenen Katastrophe – so läuft Fabian etwa über »Stolpersteine«, mit denen der jüdischen Opfer der Nazis gedacht wird – verleihen dieser epochenübergreifenden »Sinfonie der Großstadt« ein alptraumhaftes Leitmotiv. Dennoch kommt die Geschichte dieser durch den urbanen Dschungel stolpernden jungen Leute so elegant und leichtfüßig daher, dass sie auch über drei Stunden Filmdauer nicht ihren Reiz verliert.