60 Jahre Mauerbau
Ein Staat auf Angst gebaut
Weiterlesen mit Ihrem Digital-Zugang:
Weiterlesen mit Ihrem Digital-Upgrade:
- Ergänzend zu Ihrem Print-Abonnement
- Mehr als 34.000 Artikel auf publik-forum.de frei lesen und vorlesen lassen
- Die aktuellen Ausgaben von Publik-Forum als App und E-Paper erhalten
- 4 Wochen kostenlos testen
Jetzt direkt weiterlesen:
- diesen und alle über 34.000 Artikel auf publik-forum.de
- die aktuellen Ausgaben von Publik-Forum als App und E-Paper
- 4 Wochen für nur 1,00 €
Anno 1990, ein knappes Jahr nach dem Fall der Mauer, fuhren meine Frau und ich aus der Schweiz in den Ostteil Berlins, um ein befreundetes Ehepaar zu besuchen. Als die beiden uns an der S-Bahn-Station abholten, verstanden wir kein Wort. Das lag allerdings nicht daran, dass die einen berlinerisch und die anderen schwyzerdütsch sprachen. Es war die Lautstärke. Unsere Freunde sprachen so leise, dass ich zuerst vermutete, beide hätten sich gleichzeitig eine Erkältung zugezogen.
Dem war aber nicht so. Sie hatten den Unterschied in der Tonstärke überhaupt nicht bemerkt. Der Grund lag darin, dass sie ihr Verhalten aus alten DDR-Zeiten immer noch nicht ganz abgestreift hatten: Lautes Kommunizieren im öffentlichen Raum sei ein Tabu gewesen, sagten sie.
Verena Keller 10.09.2021:
Der Artikel von Markus Sutter zeichnet ein Bild der ehemaligen DDR, das nicht der Wahrheit entspricht. Als Schweizer Schauspielerin war ich von 1968 bis 1976 an den
Renate Bochmann 10.09.2021:
Ich empfinde es als Anmaßung, dass jemand von außen ein derartiges Urteil über einen Staat und dessen »verängstigte« Bevölkerung abgibt. Wenn unser Leben so verlaufen wäre wie beschrieben, wäre ich mit Sicherheit nicht in einem solchen Staat geblieben. Wenn ich gefragt werde, worin unsere Identität bestand, sind mir drei Punkte wichtig: unsere Freundschaften; dass wir fehlende materielle Güter durch ausgiebig gelebte Kultur kompensierten und die Freiräume innerhalb der Kirche. Unsere Leitlinie war (und ist) Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. Jeder kann für sich beurteilen, wie weit wir auch heute in der ersehnten Demokratie von diesen Zielen entfernt sind.
Reinhard Olma 10.09.2021:
Wir haben während der DDR-Zeit gelacht, laut auch aufmüpfige Lieder gesungen und uns gefreut; wir haben gefeiert, engagiert gearbeitet und hatten vermutlich nicht mehr und nicht weniger Angst als Menschen in anderen Teilen der Welt. Vielleicht beurteilen wir eines Tages nach eigenen Kriterien, ob wir in einem Unrechtsstaat gelebt haben. Vielleicht ist das aber auch nicht nötig. Jedenfalls braucht es dazu nicht solche Plattitüden wie die Feststellung, dass wir vor lauter Angst nur leise sprechen konnten. Das ist Quatsch.
Jörg Arnold 10.09.2021:
Auch wenn der Autor keinen wissenschaftlichen Anspruch verfolgt, war ich doch überrascht, wie einseitig seine Darstellungen über die DDR als eine einzige Unrechtsgeschichte sind. Es ist richtig, immer wieder auch jene Menschen zu Wort kommen zu lassen, die in der DDR schweres staatliches Unrecht erleiden mussten. Aber eine Reduzierung darauf vermittelt ein falsches Bild. Der Schritt dahin, die DDR als »Unrechtsstaat« zu bezeichnen, ist dann sehr schnell gegangen. Dabei wird aber verkannt, dass das Wort »Unrechtsstaat« kein wissenschaftliches ist, sondern eher ein Begriff der politischen Auseinandersetzung. Manche sprechen gar von einem »Kampfbegriff«, der einen Ursprung in der »Totalitarismustheorie« findet, von der in den Politikwissenschaften der letzten Jahre aus guten Gründen immer mehr abgerückt worden ist. Eine seriöse Aufarbeitung von Systemunrecht, auch jenes der DDR, sollte immer auch damit verbunden sein, Lehren gerade auch in Bezug auf das eigene demokratische System zu ziehen. Legt man stattdessen den Maßstab der Universalität der Menschenrechte an, zeigt sich, dass der kritische Blick auch auf demokratische Systeme gerichtet werden muss und auch deren systemimmanentes Unrecht zur Debatte steht, ohne aber pauschale Gleichsetzungen vorzunehmen.
Rüdiger Koch 10.09.2021:
In der DDR geboren und bis heute in Ostdeutschland ansässig, kann ich bestätigen: Die DDR war absolut kein Rechtsstaat! Aber reicht diese Aussage nicht aus? Warum muss dann noch der Begriff »Unrechtsstaat« als Pendant eingeführt werden? Ich werde den Verdacht nicht los, als solle dieses Wort davon ablenken, dass auch der Rechtsstaat durchaus verbesserungsbedürftig ist. Warum zum Beispiel wurde der »Kreuzweg für die Schöpfung« von der Polizei gestoppt?