Die Wehrpflicht wieder einführen?
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Wolfgang Kessler: Ja, dann müssen alle über das Töten reden
Damit es keine Missverständnisse gibt: Ich bin überzeugter Wehrdienstverweigerer. Am liebsten wäre mir eine Welt ohne Armeen und ohne Bundeswehr. Doch das ist leider Illusion. Also geht es um die Art der Armee. Und da bin ich eindeutig gegen eine Berufsarmee. Sie wurde in Deutschland im Zuge des Hypes um den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg eingeführt.
Entstanden ist eine Armee, die Kriegstechnik und Töten zum Beruf macht – und völlig unabhängig von den Bürgern agiert. Sie führt die Befehle der Bundesregierung aus – ob in Afghanistan oder in Mali. Oder in Deutschland. Von den allermeisten Bürgern ist kein Widerstand zu erwarten – denn sie sind nicht direkt betroffen, sie können
Gast 03.10.2016:
Freiwilligkeit fordert bürgerschaftliches Engagement heraus, Pflichtdienste schrecken ab.
So ähnlich ist es auch bei Hartz 4. 1-Euro-Jobs sollten freiwillig, besser bezahlt, und sinnvoll sein.
Georg Lechner 21.09.2016, 16:58 Uhr:
Zusammenfassung: Es geht mit und ohne Wehrpflicht, um die militärische Durchsetzung von Neoliberalismus und Hegemonialpolitik (in der Diktion der FAZ anlässlich des Kongo-Einsatzes im August 2006 "um die Aufrechterhaltung der bestehenden Weltwirtschaftsordnung, von der nur wenige Länder so sehr profitieren wie Deutschland"). Dahinter stehen in Österreich alle im Parlament vertretenen Parteien, in Deutschland könnte die Linke noch eine Ausnahme sein.
Georg Lechner 21.09.2016, 16:42 Uhr:
In Österreich haben wir zwar die Wehrpflicht (beibehalten durch ein Referendum mit der Wahlmöglichkeit zwischen Berufsheer plus Präsenzdienst vs. Berufsheer ohne Präsenzdienst), aber sie ist nur eine Alibi-Einrichtung, denn dem nominellen Zweck der Landesverteidigung könnte sie praktisch nicht dienen. Das Geld im Heeresressort geht überwiegend an das Berufsheer, wo nur aufgenommen wird, wer sich zu Auslandseinsätzen bereiterklärt.
Die Landesverteidigung ist realiter auch nicht Hauptaufgabe des Bundesheers (das hat schon der damalige "Verteidigungs"minister Platter anno 2003 via "DerStandard" wissen lassen), sondern "der Wirtschaft den Boden aufzubereiten". Bestätigt wurde dies durch den außenpolitischen Think Tank des EU-Rates, das Institut für Strategische Studien, das im Papier vom Mai 2004 die Abkehr von der Landesverteidigung und die Hinwendung zu Interventionen und Expeditionskriegszügen als strategisches Muss bezeichnet hat.
M. Wolf 13.09.2016:
Herr Kessler hat schon recht: Eine Welt ohne Armeen und ohne Bundeswehr ist Illusion. Sein Plädoyer für die Wiedereinführung der Wehrpflicht und sein Hauptargument erscheinen mir allerdings wenig überzeugend.
Hätten denn die jungen Frauen und Männer wirklich die Wahl zwischen Wehr- und Ersatzdienst? Zunächst könnten sie sich doch nur entscheiden, ob sie Wehrdienst leisten oder ihn aus Gewissensgründen verweigern. Die Verweigerung kann je nach Ausgestaltung der Gewissensprüfung eine hohe Hürde sein. Wäre etwa die Überzeugung, gewaltfreie Wege der Konfliktlösung seien der militärischen Option vorzuziehen, ein für die zuständigen Behörden akzeptabler Gewissensgrund? Ich bin nicht sicher. Möglich, dass die Wiedereinführung der Wehrpflicht militärische Fragen wieder stärker ins Blickfeld der Gesellschaft rücken würde. Der Preis aber könnte sein, dass viele junge Menschen gezwungen werden, gegen ihre Überzeugung eine als unsinnig empfundene militärische Ausbildung zu absolvieren.
Tilmann Wolf 11.09.2016:
Ich war in den 80er-Jahren beim Wehrdienst. Nach intensiver Auseinandersetzung mit der Gewaltfreiheit habe ich beschlossen, den Wehrdienst nicht zu verweigern und ihn zu leisten. Ausschlaggebend war, dass eine gewaltfreie Verteidigung voraussetzt, dass Verteidiger und Verteidigte gleichermaßen bereit sind, für die Gewaltfreiheit auch zu sterben. Der Verteidiger kann das zwar für sich selbst beschließen, nicht aber für die anderen, die ihm als die zu Verteidigenden anvertraut sind.
Die heute gegenüber 1980 veränderte Rolle der Bundeswehr und die veränderten Szenarien der Weltpolitik verlangen dennoch weiterhin eine verantwortliche Teilhabe der Zivilbevölkerung an der Frage gewaltfreier oder gewaltbereiter Friedenspolitik. Ohne eigene Betroffenheit kann die Entscheidung über Militäreinsätze zu einer wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Betrachtung schrumpfen.