Literatur-Tipp
Kann sich eine junge Jüdin in Deutschland zu Hause fühlen?
Roman. Im Flieger von Chicago nach Tel Aviv muss Margarita sich übergeben. Dabei fliegt sie ohne Probleme jedes Jahr von Berlin in die USA, um den Sommer bei den Großeltern zu verbringen. Doch die Reise nach Israel ist anders. Sie soll dort ihre Mutter treffen, die sie kaum kennt, weil sie die Familie aus Abscheu vor Deutschland verlassen hat. Während sich die beiden näherkommen (und dabei viel streiten), versucht Margaritas Vater Avi in Berlin, nicht zu oft an sie zu denken und lässt dann doch Tag und Nacht sein Handy an. Er kann nicht verhindern, dass seine 15-jährige Tochter einige schlechte Entscheidungen trifft und ein Familiendrama auslöst.
Der Roman wechselt immer wieder die Perspektive: Margarita hat eine überbordende Gefühlswelt und testet immer wieder ihre Zugehörigkeit aus. Dem gegenüber steht der still nachdenkende Avi. Als Kantor singt er in Berliner Synagogen am Schabbat »die Ruhe herbei«, wie es an einer Stelle heißt. Der Roman nähert sich Avi über dessen Spiritualität, erzählt von seinen Ritualen und von der religiösen Poesie seiner Lieder.
So schafft Dana Vowinckel zärtliche Porträts zweier sehr unterschiedlicher Menschen. Es passiert viel in dieser rasanten Geschichte, doch die Stärke des Romans – dem ersten der 27-jährigen Autorin – liegt in den Bildern, die sie für das schwer zu Beschreibende findet: Avis im Gesang entstehenden Glauben an Gott und Margaritas turbulente Identitätssuche – kann eine junge Jüdin sich in Deutschland zu Hause fühlen?
Dana Vowinckel: Gewässer im Ziplock.
Suhrkamp Nova. 362 Seiten. 23 €