Norbert Coprays gesammelte Werke (13)
Mit den Flüchtlingstrecks kommen auch Menschen nach Deutschland, in deren Kultur Antisemitismus und Judenhass zum Alltag gehören. Teils wird dies staatlich verordnet und propagiert, teils gehört es zur eigenen Familientradition. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, beobachtet dies mit Sorge. Jüdische Gemeinden befürchten, dass in Deutschland der »arabischstämmige Antisemitismus« zunehmen könne. Denn, so Schuster, viele Flüchtlinge stammen aus Ländern, »in denen Israel zum Feindbild gehört«.
Sind die Christen hierzulande diesbezüglich sensibel? Oder kann sich niemand vorstellen, dass arabische und muslimische Judenhasser gemeinsame Sache mit den Rechten in Deutschland machen könnten? Erkennen die Christen ihre Pflicht, sich antisemitischen Tendenzen entgegenzustellen? Der noch existierende »christliche Antisemitismus« mag mitunter dabei hinderlich sein.
Die Masken des Antisemitismus
In seinem Buch »Unerlöste Schatten« befasst sich der Wiener Kommunikationswissenschaftler Maximilian Gottschlich mit »Christen und dem neuen Antisemitismus«. Dieser habe in Europa wieder gewaltige Ausmaße erreicht, meint der emeritierte Professor, ein Christ mit jüdischen Wurzeln.
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Sehr eindrücklich beschreibt er die unvollendete Versöhnung zwischen Christentum und Judentum. Die katholische Kirche habe nach ihrer bedeutenden Erklärung »Nostra Aetate« (Unsere Zeit) zur Anerkennung des Judentums und zur Verurteilung von Antisemitismus und Judenhass auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil keine weiterführenden Schritte mehr unternommen. Deshalb spricht Gottschlich von einer »gescheiterten Revolution« im Verhältnis von Katholizismus und Judentum. Texte und Reden hätten allenfalls vereinzelt interreligiöse Foren und Begegnungen bewirkt. Gottschlich wirft der Kirche vor, »in der Antisemitismusfrage vollkommen versagt« zu haben. Und das, wo doch die Kirche als weltumspannende Institution »nachhaltigen Widerstand gegen den globalen Antisemitismus leisten könnte«.
Christentum und Antisemitismus ist jedoch ein Selbstwiderspruch. Gottschlich untermauert seine Vorwürfe mit fundierten theologischen und kirchlichen Analysen. Er hat profundes Wissen über das Judentum und den Staat Israel. Er kennt die Stereotype und Anfeindungen. Mit klaren sozialpsychologischen und kulturellen Diagnosen entlarvt er die vielfältigen Masken des Antisemitismus. Präzise unterscheidet er zwischen berechtigter Kritik an der israelischen Politik und einem maskierten Antisemitismus. Denn bis heute steht die Vernichtung Israels auf der Agenda vieler arabischer Staaten und islamischer Terrororganisationen.
Gottschlich erklärt, »warum der Hass in der Krise zunimmt« und wie Liebe und Mitgefühl wiedererlangt werden können. Er weist den »Aufbruch aus der Schattenwelt« durch Solidarität gegen den Antisemitismus. Das gilt auch in religiöser Hinsicht. Denn in Auschwitz sei das Christentum »moralisch und metaphysisch zugrunde gegangen«. Nur durch praktische Solidarität im Widerstand gegen Antisemitismus kann es eine Erneuerung und eine Zukunft geben. Ein Weckruf mit Donnerhall.