Leserbrief
Auf Sand gebaut
Zu: »Gott vertrauen« (19/22, Seite 28-32)
Das Interview mit Navid Kermani habe ich mit wachsender Begeisterung gelesen. Er liest den Kirchen, vor allem aber unserer teilweise oberflächlichen, da orientierungslos gewordenen Gesellschaft gründlich die Leviten. Die Treue zu den eigenen religiösen und kulturellen Wurzeln schließt aufgeklärtes Denken eben nicht aus. Das sind zwei Standbeine, auf denen unsere Gesellschaft steht. Und man verzichtet nicht ohne Schaden für sich selbst, aber auch für das Gemeinwesen auf eines der beiden. Mir scheint, dass dies so langsam auch den Gebildeten unter den Verächtern der Religion dämmert. Dieter Trunk, Nürnberg
Auf unscharfe Fragestellungen folgen noch unschärfere Antworten. Es ist von Religion die Rede, aber was damit gemeint ist, bleibt offen. Die Interviewer stellen Thesen auf und fragen nicht nach. Navid Kermani antwortet mit Thesen, ohne nachvollziehbare Begründungen zu liefern. So entwickelt sich ein argumentatives Kartenhaus, das beim nächsten Windhauch in sich zusammenfällt. Wozu soll ein solches Interview gut sein? Allerdings ist dies eine Erfahrung, die ich bei Veröffentlichungen über Navid Kermani schon wiederholt gemacht habe: Es werden große Themen angekündigt, aber Ergebnisse sind wenig überzeugend. In diesem Fall ist das nicht anders zu erwarten, solange die Grundlagen ungeklärt bleiben. Was ist mit Religion gemeint? Formen und Rituale? Soziologische Wirklichkeit? Vertrauen in ein Gegenüber? Im Interview ist dies ein Drunter und Drüber, das keine Klarheit schafft. Sehr schade. Reinhard Wick, Albertshofen
Publik-Forum EDITION
»Das Ende des billigen Wohlstands«
Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr
Wer auf Gott vertraut, hat auf Sand gebaut und vertraut auf ein Phantom. Kermani scheint das zu ahnen, denn was er unter Gottvertrauen anbietet, ist nur noch ein blasser Rest dessen, was einst darunter verstanden wurde. Gottvertrauen ging Hand in Hand mit »Gottesfurcht« und setzte den Glauben an einen persönlichen Gott voraus. Bei Kermani bleibt nur noch ein vages »Vertrauen, dass alles doch einer Ordnung unterliegt, selbst wenn wir sie nicht immer verstehen«. Worin diese »Ordnung« bestehen soll, bleibt sein Geheimnis. Natürlich unterliegt alles beispielsweise dem Gesetz der Schwerkraft, aber Kermanis Denken zielt auf eine metaphysisch fundierte Ordnung. Eben auf eine solche muss die Menschheit redlicherweise Verzicht leisten. Der schönste und wichtigste Satz Kermanis: »Es ist wichtiger, ein guter Mensch zu sein als ein guter Muslim.« Joachim Kahl, Marburg