Hinter Mauern
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Dieses Buch ist radikal einseitig. Das ist seine Schwäche – und seine Stärke. Die steile These des französischen Soziologen und Journalisten Frédéric Martel lautet: Der Vatikan ist der größte Schwulenclub der Welt. Diese männerbündische, teils ausgelebte, teils unterdrückte, immer aber tabuisierte homoerotische Kultur beeinflusste alle Personal- und Lehrentscheidungen. Direkt oder indirekt. In der Verbindung dieser Kultur mit einer rigiden Sexualmoral liegt für Martel die Quelle für Heuchelei, Doppelmoral, Verlogenheit und Erpressbarkeit – in einem Ausmaß, das schlimmste Erwartungen übertrifft. Die Zusammenhänge werden detailliert erörtert. Zusammen mit seinen Recherchen in mehreren Ländern, zahlreichen Interviews mit Bischöfen und Kardinälen und aufschlussreichen Einzelbeobachtungen ergibt sich daraus ein Sittengemälde, das in seiner Opulenz einem barocken Wandbild vergleichbar ist. Allerdings wird Wichtiges und Unwichtiges in einen Kessel gerührt. Glänzend geschriebene Beobachtungen – etwa die Schilderung des Appartements des US-amerikanischen Kardinals Leo Burke, des römischen Strichermilieus oder der Exkurs über die Verehrung von Schriftstellern wie FranÇois Mauriac, Julien Green oder Jacques Maritain (bei denen das Thema Homosexualität eine große Rolle spielte) durch Bischöfe – wechseln sich ab mit ermüdenden Schilderungen von Treffen, die dem Leser kaum Erkenntnisgewinn bringen. Mitunter erliegt Martel der Versuchung, die er der Kurie vorwirft: Geraune und Klatsch. Dem Buch hätte ein strengeres Lektorat gut getan. Trotzdem: Martels soziologischer Ansatz, sein Mut und seine journalistische Leistung verdienen es, ernst genommen zu werden.