Kinotipp
Weihnachten als Taktgeber des Lebens
Kino. Das Weihnachtsfest geht ans Eingemachte, denn unter dem Christbaum kulminieren die Hoffnungen auf Harmonie. Alles muss schön sein, der Baum gut gewachsen, das Essen perfekt – und alle müssen sich lieb haben.
Dieser Dokumentarfilm handelt von dem besonderen emotionalen Stress der Wochen vor Weihnachten. Schauplatz ist eine irische Kleinstadt, deren Straßen und Häuser sukzessive im Glanz der Lichterketten erstrahlen. In den fünf Haushalten, die in dieser Langzeitbeobachtung im Zentrum stehen, ist den Menschen wenig weihnachtlich zumute. Da ist der junge Handwerker, der seine verstorbene Frau betrauert und versucht, seinen beiden Söhnen ein schönes Fest zu bereiten; die alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die sich schämt, weil für Geschenke kein Geld da ist. Eine alte Dame, die sich ihrer Einsamkeit in dieser Zeit besonders bewusst ist; ein verschrobener Junggeselle, der mit seinen Eltern seine einzigen Bezugspersonen verloren hat; eine kinderlose, essgestörte Frau, die vor Weihnachten in ihrer Familie Angst hat, »weil man so viel essen muss«. Behutsam wird deutlich, wie die vorweihnachtliche Umtriebigkeit Gefühle aufrührt, gute und böse Erinnerungen aufsteigen lässt. Zwischen Humor und stiller Tragik ist dies auch ein Film über menschliche Resilienz. Jenseits religiöser Symbolik erscheint das Weihnachtsfest als Taktgeber des Lebens und als Moment des Innehaltens, der das Verrinnen der Zeit anzeigt und die Kostbarkeit menschlicher Verbundenheit.
? So This Is Christmas (Irland 2024).
Film von Ken Wardrop, 90 Min. O.A.