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Straftatbestand, ja - oder doch lieber nein?

von Christine Weber-Herfort vom 06.12.2002
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André Karger/Olaf Knellessen/Gertrud Lettau/Christoph Weismüller (Hg.)
Sexuelle Übergriffe in Psychoanalyse und Psychotherapie
Vandenhoeck & Ruprecht. 136 Seiten. 19,90 EUR

Es beginnt mit einer Provokation: Man könne feststellen, »dass es ohne eine immer auch missbräuchliche Grenzüberschreitung zu nichts kommt: nicht zur Bewegung, nicht zur Sprache, nicht zum anderen Symptom, nicht zur Analyse und Therapie«, heißt es in der Einleitung des gelehrten Fach-Diskurses. Der Analytiker Peter Passett kritisiert einen prüden Zeitgeist, den er in der allseits wirksamen »political correctness« ausmacht. Es sei ein Wahn, den »sexuellen Stachel zu ziehen, indem man nach Missbrauchenden auf allen Ebenen fahndet und diese denunziert«. Das Thema »Missbrauch in der Therapie« war in den späten 80ern und noch in den 90er Jahren öffentlichkeitswirksam. Und dies aus gutem Grund, denn das Problem wurde viele Jahre vernachlässigt. Sexueller Missbrauch in der Therapie war ein Thema der Frauenbewegung. Denn die Täter waren ganz überwiegend Therapeuten, die Opfer waren Patientinnen. Es meldeten sich Betroffene zu Wort; die »Verführung auf der Couch« wurde gelegentlich auch in der Boulevardpresse breitgetreten. Es erschienen jedoch mehrere wissenschaftliche Studien, die eine fundierte Diskussion über die Grenzüberschreitungen und den Machtmissbrauch von Therapeuten ermöglichten. Nun soll dieser Erkenntnisgewinn offenbar wieder revidiert werden. Die Revisionsstrategie der Autoren besteht in einer Verwässerung des Missbrauchsbegriffes, der auf alle Bereiche des analytischen Prozesses bezogen wird, und in einer Ausblendung der Bedeutung des Machtgefälles zwischen Analytiker und Analysanden. Wer eine weibliche Perspektive sucht, wird enttäuscht.

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