Auf der Jagd nach Wundern
Kino. Filippo ist ein römischer Priester auf unbequemer Mission. Er reist durch die ganze Welt, um angebliche Wunder zu untersuchen. Durch seine Rolle als Entzauberer ist er zum Melancholiker geworden. Theoretisch, räumt der junge Mann ein, gibt es durchaus die Möglichkeit eines echten Wunders. Doch auch sein neuer Fall, eine weinende Madonna in einem südholländischen Grenzdorf, scheint der gewohnte faule Zauber zu sein.
Im Zentrum steht das Mädchen Thérèse, das mehrmals Tränen in den Augen seiner Marienstatue aus Gips gesehen hat. Thérèse spricht nicht mehr, seit vor vier Jahren ein Amokläufer elf Schulkinder, darunter ihren Bruder, erschossen hat. Das vermeintliche Marienwunder jedoch verleiht den in kollektiver Trauer erstarrten Familien Trost und Zusammenhalt. So ist es wiederum kein Wunder, dass der detektivische Priester von den traumatisierten Menschen mit Misstrauen, gar Hass, empfangen wird: Mit seinem forensischen Besteck wirkt er fast wie ein Exorzist, klopft die Statue ab und will sie im MIT-Scan durchleuchten. Doch alle, selbst der Bischof, wollen »ihr« Wunder bestätigt sehen.
Der Regisseur dieses Glaubenskrimis ist Sohn eines Pfarrers und vermittelt die Botschaft seiner Geschichte quasi von hinten durch die Brust ins Auge. Denn Filippo, der gelernte Skeptiker, wird durch die verzweifelte Frömmigkeit seiner Umgebung auf die Probe gestellt. Und ist immer mehr fasziniert von Thérèse, die, via Smartphone kommunizierend, den Menschen ins Herz blicken kann. Wie steht es mit seiner eigenen Glaubwürdigkeit? Realität und Spiritualität sind in diesem vieldeutigen Drama letztlich keine Gegensätze, sondern kommunizierende Röhren. Und die Frage nach dem »Wer war’s?« treibt die Zuschauerin nach Filmende weiter um.
Der Mann aus Rom (NL/D 2023). Film von Jaap van Heusten. 107 Min. Ab 12 J.