Editorial
Über religionslose Enkel, Gott in Frankreich und mutige Propheten in El Salvador
als unsere Kinder klein waren, hatten wir einen besonderen Adventskalender: Auf einer großen Platte stellten wir 20 Teelichter und vier große Kerzen in einer mäandernden Reihe auf. Sie symbolisierten den Weg durch den Advent. Jeden Tag versuchten wir, ein weiteres Licht anzuzünden, ein Adventslied zu singen, Josef und Maria, zwei Holzfiguren, weiter Richtung Krippe zu rücken. Um ehrlich zu sein: Nicht jeden Tag fanden wir Zeit dazu. Und im Jahr darauf wünschten sich die Kinder wieder einen Adventskalender mit Legosteinen. Nicht alles, was Eltern oder Großeltern tun, um ihre Kinder in christliche Traditionen einzuführen, ist erfolgreich.
So ist es auch mit der Glaubensweitergabe insgesamt: Die bei den Großeltern tief verankerte Religiosität ist bei der Enkelgeneration oftmals so gut wie nicht mehr vorhanden. Die Älteren schmerzt das, während die Jüngeren offenbar nichts vermissen. Meine Kollegin Judith Bauer hat darüber mit Großeltern und deren Enkelin gesprochen (Seite 12).
Fünf Jahre nach dem Brand wird die Kathedrale Notre-Dame wiedereröffnet. Mein Kollege Michael Schrom war in Paris, um herauszufinden, wie es um die katholische Kirche in Frankreich steht. Vor vielen Jahren, während seines Theologiestudiums, hat er ein Jahr lang in Paris gelebt. Er kennt also die religiösen Gemeinschaften, die er jetzt wieder besucht hat. Kommen Sie mit auf eine Reise in eine religiöse Welt voll Schönheit − und voller Abgründe (Seite 32)!
Und ich nehme Sie mit nach El Salvador, dem kleinen Land in Mittelamerika. Auch für mich war es ein Wiedersehen, da ich kurz nach dem Ende des Bürgerkriegs dort ein Auslandssemester verbracht hatte. Erschüttert habe ich auf dieser Reise festgestellt, dass die Regierung zwar die Herrschaft der bewaffneten Banden gebrochen hat, doch zu einem hohen Preis: Die Grenzen zur Diktatur sind womöglich schon überschritten. Wie gut, dass sich mutige Menschen wie Salvador Ruiz von der Basisgemeinde Bajo Lempa oder Samuel Ramírez für die Opfer einsetzen und in diesem Advent ihren Protest auf die Straße tragen (Seite 20 und 58).
Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre!
Barbara Tambourist Redakteurin bei Publik-Forum.
Foto: Teresa Tambour