Buchtipp
Bob Dylan philosophiert über moderne Popsongs
Buch. Wer ein Konzert von Bob Dylan besucht, erlebt einen genialen, aber unnahbaren Musiker. Für »neue poetische Ausdrucksformen in der amerikanischen Song-Tradition« hat er den Literaturnobelpreis erhalten. Das Buch, das er nun geschrieben hat, ist eine Überraschung. Darin setzt er sich mit den Hintergründen von 66 Popsongs auseinander. Er offenbart tiefe Kenntnisse der Musikgeschichte und der US-Gesellschaft, aber auch viel Gefühl für die Songs und ihre Interpreten. Etwa, wenn er anhand des Liedes »War« des 1970 unbekannten Edwin Starr die Schwierigkeiten der Amerikaner mit pazifistischem Denken schildert, weil »Geldgier, Überheblichkeit und Stolz« oft auf den Kriegspfad führen. Über das Lied wurde viel, über den Text wenig gesprochen.
Oder wenn Dylan enthüllt, dass die Melodie von »Strangers in the night« einem wenig bekannten Armenier gestohlen und von Frank Sinatra zum Welterfolg gesungen wurde. Der repräsentierte mit seinen engen Beziehungen zur Geschäftswelt und zur Politik nicht gerade jenen armen einsamen »Wolf, von dem der Liedtext handelt«, schreibt Dylan. Die Lektüre wirft auch kritische Fragen auf: Warum kommen Frauen und ihre Texte nur am Rande vor? Und warum fanden prägende Songs von den Beatles, Leonard Cohen oder Woodie Guthrie nicht den Weg in das Buch?
Und doch könnte Bob Dylans »Philosophie des modernen Songs« vielen Popfans die Feiertage versüßen: Indem sie sich im Sessel zurücklehnen, in den Texten des Literaturnobelpreisträgers stöbern und dazu die entsprechenden Songs hören.