Wolfgang Kessler
Ich lernte als typisches Kind der fünfziger Jahre (geboren 1953) im relativ armen Oberschwaben schon früh den Umgang mit knappen Mitteln kennen – er war in einer Kleinunternehmerfamilie wie der unsrigen einfach überlebensnotwendig. Auf dieser Qualifikation lässt sich natürlich als Ökonom, aber auch als Ökologe, als der ich mich auch fühle, durchaus aufbauen.
Passen die Bezeichnungen »Ökonom« und »Schwabe« an sich gut zusammen, so ist mein Leben doch von ziemlich vielen Widersprüchen geprägt, die ich im Nachhinein allerdings schätzen gelernt habe. Obwohl im hochkatholischen Oberschwaben ansässig, hatten meine Eltern für die Kirche nie mehr als Spott übrig – ich selbst habe mich aber in der Kirche engagiert und in einem katholischen Haus meinen Zivildienst abgeleistet. Obwohl dort ausschließlich mit sozialen Problemen konfrontiert, habe ich nach dem Zivildienst dann doch Wirtschaftswissenschaften studiert – Motto: Ohne Moos nix los. Dann hat mich das Studium aber so wenig befriedigt, dass ich mich wieder sozial engagiert habe: bei Amnesty International und in der Katholischen Hochschulgemeinde.
Nach dem Studium wurde das Joch der Widersprüche nicht leichter: Als promovierter Währungsexperte versuchte ich mein Glück beim Internationalen Währungsfonds. Als dieser meine Ökonomie-Künste zu Hungerkuren für die Dritte Welt nutzte, holten mich meine christlichen Ideale wieder ein. Feierlicher Ausstieg. Dann neuer Aufbruch – neuer Traum: freier Journalismus. Doch: Zunächst waren meine wirtschaftsethischen Kommentare nur am Heiligen Abend gefragt – das reichte für die Weihnachtsgans, aber nicht für eine dreiköpfige Familie. Deshalb ernährte ich mich von Bilanzpressekonferenzen und Hintergrundberichten. Erst ein jahrelang erstrittenes, deutliches Profil als Wirtschaftskritiker trennte unter meinen auftraggebenden Tageszeitungen und Rundfunkanstalten die Spreu vom Weizen, nach dem Motto: Viel Feind – viel Ehr’.
Viel Feind – viel Ehr’, das ist auch ein Stück Erfolgsrezept von Publik-Forum. Das war 1991 Grund genug für einen persönlichen und journalistischen Großversuch als Redakteur bei dieser Zeitung: nämlich wirtschaftliches Fachwissen mit christlichen Idealen in Einklang zu bringen. Das tat ich zuerst als Ressortleiter für »Politik und Gesellschaft«, und von 1999 bis 2019 als Chefredakteur.
KURZBIOGRAFIE: Wolfgang Kessler, geboren 1953, ist Publizist, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Er studierte in Konstanz, Bristol und an der London School of Economics. Die Promotion erfolgte 1982 an der Universität Konstanz. Nach einer kurzen wissenschaftlichen Tätigkeit im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (1982/83) ist Kessler seit 1983 als Journalist tätig. Er betrieb zunächst ein eigenes Pressebüro für verschiedene Tageszeitungen und Rundfunkanstalten. Im Jahre 1991 wechselte er zu Publik-Forum als Ressortleiter für Politik und Gesellschaft. Von 1999 bis 2019 war er Chefredakteur. Kessler beschäftigt sich in zahlreichen Büchern mit Wegen zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft auf ethischer Grundlage. Er war Gast mehrerer Fernsehsendungen und Talkshows. Am 16. November 2007 wurde Wolfgang Kessler mit dem Internationalen Bremer Friedenspreis ausgezeichnet – für sein öffentliches Wirken für »Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung«. Sein Buch: »Die Kunst, den Kapitalismus zu verändern«, Publik-Forum Edition, Mai 2019 ist ein Publik-Forum Bestseller. Sein Grundlagenbuch: »Macht Wirtschaft -Ökonomie verstehen – und verändern« ist im April 2021 erscheinen.