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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 15/2023
Der Inhalt:
Leben & Kultur

Literaturtipp
Hinter dem banalen Alltag das ganze Unglück

Die dänische Schriftstellerin Tove Ditlevsen wird gerade wiederentdeckt. Ihr Erzählband »Böses Glück« wurde nach 40 Jahren erstmals in Deutsche übersetzt. Dort schreibt sie über Liebesunglück, Machtverhältnisse und unbefriedigte Sehnsüchte.
von Marie Lou Steinig vom 01.08.2023
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Einfühlsam und scharfsichtig: Die dänische Schriftstellerin Tove Ditlevsen (1917-1976) schrieb darüber, wie es war, im 20. Jahrhundert eine Frau zu sein.
Einfühlsam und scharfsichtig: Die dänische Schriftstellerin Tove Ditlevsen (1917-1976) schrieb darüber, wie es war, im 20. Jahrhundert eine Frau zu sein.

Kurzgeschichten. Eine Frau verliert ihr ungeborenes Kind und kompensiert diesen Verlust mit einer Katze. Eine andere Frau wartet vor einem Untersuchungszimmer, weil sie abtreiben lassen will. Wieder eine andere ahnt, dass ihr Mann ein Verhältnis mit der jungen Haushälterin hat. Es sind Frauen und ihre Gedanken, die in Tove Ditlevsens Kurzgeschichten im Fokus stehen. Männer kommen nur am Rande vor, sie stören oder sind gefährlich. Eine junge Mutter und ihr Sohn etwa fürchten das strenge, zornige Wesen des Vaters, und Grete verabscheut ihren Vater, weil der ihre Mutter kleinhält und verspottet.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 15/2023 vom 04.08.2023, Seite 55
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Schauplatz der Erzählungen ist das Kopenhagen des 20. Jahrhunderts. Tove Ditlevsen wurde 1917 dort geboren, stammte aus der Arbeiterklasse und wob viel Autobiografisches in ihre Texte ein. Ihre Prosa wurde mit der der Nobelpreisträgerin Annie Ernaux verglichen. Nun wird ihr Werk wiederentdeckt: Der Erzählband »Böses Glück« wurde nach 40 Jahren erstmals aus dem Dänischen ins Deutsche übersetzt. Scharfsichtig schreibt sie über zerrüttete Beziehungen und unbefriedigte Sehnsüchte.

Die Lektüre ist beklemmend, vor allem, wenn von Kindern erzählt wird. Voller Unbehagen, das oft nicht richtig fassbar ist: »Irgendetwas ging in der Wohnung vor, zwischen den anderen, hinter ihrem Rücken, fern von ihr und direkt vor ihrer Nase. Etwas, das jeden Tag näher rückte.« Vordergründig beschreibt Ditlevsen banale Szenen des Alltäglichen: Doch dahinter entfaltet sich das ganze Unglück der Figuren, die in Machtverhältnissen und Konventionen gefangen sind und sich daraus nicht befreien können. Selbst wenn eine Ehefrau beim schweigsamen Abendessen erkennt: »Es ist vorbei, dachte sie, noch nicht jetzt, auch nicht morgen, vielleicht wird er nie erfahren, dass es vorbei ist.« Mit akribischer Beobachtungsgabe und großer Menschenkenntnis zeichnet Ditlevsen Bilder patriarchalischer Beziehungen, die heute noch einen bitteren Geschmack hinterlassen. Nein, aufmunternd ist diese Sammlung von Kurzgeschichten nicht, aber dennoch unbedingt lesenswert.

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