Kinotipp: Riefenstahl
Die Lügen einer Kultfigur
Kino. War sie eine geniale Künstlerin oder eine skrupellose Verdrängungskünstlerin? Leni Riefenstahl (1902-2003), die Regisseurin von »Rattenfänger-Filmen« wie »Triumph des Willens« über den Reichsparteitag der NSDAP und Dokumentarfilmen über die Olympischen Spiele in Berlin 1936, ist eine faszinierende und beunruhigende Figur. In seinem essayistischen Dokumentarfilm schöpft Regisseur Andres Veiel aus ihrem umfangreichen Nachlass. Mit Schnipseln aus Interviews, Filmen, Wochenschauen, Memoiren und unveröffentlichten Mitschnitten versucht er, ihr auf die Spur zu kommen.
In ihrer Grenzen überschreitenden Karriere behauptete sie sich meist allein unter Männern. Sie war Ausdruckstänzerin, Schauspielerin und stieg als Selfmade-Regisseurin mit ihrem visuell überwältigenden Stil zur Hofpropagandistin der Nazis auf. Noch heute kann man sich der Wirkung ihrer Olympiabilder kaum entziehen, in denen sie gestählte Körper und strahlende Jugend feiert. In ihren 60ern begann sie eine zweite Karriere als Fotografin und lebte bei einem Nuba-Stamm. Der rote Faden des Films ist die Frage nach ihrem Verhältnis zu den Nazis und ihrer Mitschuld an Verbrechen. Auf Du und Du mit Hitler, Speer und Goebbels, blieb sie stur bei der Behauptung, nichts gewusst zu haben, eine naive Mitläuferin gewesen zu sein, und plaudert nonchalant über Halbwahrheiten hinweg. In nicht gesendeten Mitschnitten empört sie sich herrisch über Reporterfragen. So entlarvt sie sich als Egozentrikerin, die sich selbst als Opfer darstellte und auf offensichtlichen Lügen beharrte. Mit ihrer faschistoiden Ästhetik beeinflusste Riefenstahl zahllose Regisseure und wurde zur Kultfigur. Dieser anregende Dokumentarfilm beweist, dass die kritische Auseinandersetzung mit Riefenstahl und ihrer Faszination relevant bleibt.
Riefenstahl (D 2024).
Film von Andres Veiel. 120 Min. Ab 12 J.