Ein NS-Verbrecher-Prozess als Protokoll des Grauens
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Kino. Der gebürtige Schweizer Carl Schrade hat elf Jahre Haft in Konzentrationslagern überlebt. Von 1934 bis zum Kriegsende hat er die Gräuel unter anderem in Buchenwald und Flossenbürg aus nächster Nähe erfahren. Nun ist er Kronzeuge der Anklage in einem von US-Militärs ausgerichteten Prozess gegen NS-Verbrecher. Ihm gegenüber sitzen auf der Anklagebank die Täter, die Schrade nur zu gut kennt. Basierend auf Carl Schrades Erinnerungen inszeniert Regisseur und Hauptdarsteller Bernd Michael Lade ein minimalistisches Einraum-Kammerspiel, in dem wie unter einer Lupe der Zivilisationsbruch im Dritten Reich verdeutlicht wird. Das Prozessdrama ist pures Kopfkino, in dem die Schilderung von Schrade, der aus Respekt vor dem Gericht englisch spricht, durch zwei Übersetzerinnen – eine für die Angeklagten und eine, die deren Aussagen für die Richter übersetzt – in ihrem doppelten Echo an Intensität noch gesteigert wird. So entstehen im Kopf der Zuhörer kaum aushaltbare Bilder der Torturen und der Niedertracht der Betreiber, die der Zeuge als intimer Kenner der Perfidie des Lagersystems beschreibt. Vervollständigt wird dieses Protokoll des Grauens durch die Perspektive der Täter wie etwa SS-Leuten, die ihren Sadismus als Befehlsgehorsam kleinreden. Einzige Frau unter den Angeklagten ist Ilse Koch, die ihrem Mann, KZ-Kommandant Karl Koch, an Grausamkeit nicht nachstand. Die Pointe der Handlung besteht darin, dass Schrade als »Berufsverbrecher« einsaß: Er hatte als Hehler von Industriediamanten eine Vergangenheit als Kleinkrimineller. Seine Antwort auf diesen Vorwurf der Verteidigung zielt ins »Eingemachte« des seinerseits verbrecherischen NS-Staats und seiner Mitläufer und wirkt lange nach.