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Publik-Forum, Heft 13/2022
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Politik & Gesellschaft

Freundschaft über Klassengrenzen hinaus

von Birgit Roschy vom 08.07.2022
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(Foto: Christine Tamalet)
(Foto: Christine Tamalet)

Kino. Marianne, eine geschiedene Frau in den besten Jahren, zieht für einen Neuanfang in die Küstenstadt Caen. Dort meldet sie sich arbeitslos und beginnt, als Putzfrau zu arbeiten. Schließlich landet sie in einer Putzkolonne, die im Akkord die Fähre nach England reinigt: 230 Kabinen in eineinhalb Stunden. Abends tippt Marianne ihre Eindrücke in ihr Laptop, beschreibt lakonisch die Beherrschung des »Biestes«, einer Bohnermaschine, den rüden Umgangston, den Zeitdruck. Denn sie ist eine bekannte Schriftstellerin, die ein Buch über die »Unsichtbaren« schreibt. Sie will Frauen, die für den Mindestlohn die Drecksarbeit verrichten, würdigen.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 13/2022 vom 08.07.2022, Seite 55
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Tatsächlich ist dieses Sozialdrama inspiriert von dem Sachbuchbestseller »Putze – Mein Leben im Dreck« (2010) von Florence Aubenas. Statt wie gehabt von nahöstlichen Fronten zu berichten, verdingte sich die Kriegsreporterin undercover als Putzfrau.

Die Verfilmung bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Fiktion und Dokumentation; neben Juliette Binoche in der Hauptrolle treten nur Laien auf, die ihr eigenes Leben darstellen. Die genaue Beobachtung der Arbeitsabläufe und endlose Verkettung existenzieller Probleme, die Menschen in prekären Jobs meistern müssen, erinnert an die Sozialdramen von Ken Loach. Doch Mariannes »wallraffen« bekommt durch ihre Freundschaft mit der jungen, alleinerziehenden Kollegin Chrystèle eine moralisch verstörende Note. Ist die gutsituierte Intellektuelle, die sich an der bedingungslosen Solidarität der Frauen wärmt und sie ausspioniert, nicht selbst eine Ausbeuterin, wenn auch mit den besten Absichten? Ist ihr Buch, in dem sie ihre einstigen Mitstreiterinnen als Heldinnen feiert, nicht auch ein Verrat an ihnen? Ist Freundschaft über Klassengrenzen hinaus überhaupt möglich? Das Interessanteste an diesem Film sind die unbequemen Fragen, die er aufwirft.

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