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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 9/2023
Der Inhalt:
Politik & Gesellschaft
Leben & Kultur

Kino-Tipp
Wer das Sterben lernen will, muss leben

Der Film »Living« überträgt einen japanischen Klassiker ins London der 1950er Jahre: Eine tödliche Krankheit lässt einen griesgrämigen Büromenschen erkennen, was wirklich zählt im Leben.
von Birgit Roschy vom 12.05.2023
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Pedantischer Griesgram: Der Beamte Mr. Williams (Bill Neighy) (Foto: Number 9 Films Ltd. via Filmstarts.de)
Pedantischer Griesgram: Der Beamte Mr. Williams (Bill Neighy) (Foto: Number 9 Films Ltd. via Filmstarts.de)

Kino. An einem von Papierstapeln umgebenen Schreibtisch waltet seit vielen Jahren Mr. Williams. Er ist leitender Beamter des London City Council, in dem über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge entschieden wird. Seine Untergebenen nennen den Griesgram heimlich »the Old Man«, doch Scherze sind im Büroalltag verpönt. Es gilt, ein geräuschloses Rädchen im Getriebe zu sein und durch das Umherschieben von Akten den Eindruck von Geschäftigkeit zu erwecken. Doch dann wird bei dem Witwer eine unheilbare Krebserkrankung diagnostiziert. Was tun in den wenigen Monaten, die ihm noch vergönnt sind? Zunächst flieht er ins Seebad Brighton. Den Plan, Selbstmord zu begehen, lässt er aber fallen.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 09/2023 vom 12.05.2023, Seite 54
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Das Christentum und seine Rolle im Staat

Dieser Film ist ein Remake von Akira Kurosawas »Ikiru«. Mit seinem Drehbuch gelingt dem Literaturnobelpreisträger Kazuo Ishiguro die fast nahtlose Übertragung des japanischen Klassikers in das noch vom Krieg gezeichnete London des Jahres 1953. Der Blick geht zurück in eine Epoche, in der Männer mit Schirm und Melone ins Büro gehen, die starre Klassengesellschaft jedoch bereits kleine Risse aufweist. Das verleiht dem stillen Melodram eine untergründige Spannung. Williams, gefangen in viktorianischen Konventionen, schafft es nicht, seinem Sohn von seiner Krankheit zu erzählen. Stattdessen vertraut er sich einer ehemaligen Angestellten an. Und er nimmt ein Projekt in Angriff, mit dem er die Welt ein kleines bisschen besser machen will, als sein Vermächtnis. Bill Nighy (wie Ishiguro für einen Oscar nominiert) legt in die Rolle eines zugeknöpften Beamten im Kampf gegen die Trägheit des Systems so viel Humor und existenzielle Tragik, dass man tief gerührt zurückbleibt – und sich fragt, warum es die Drohung einer »deadline« braucht, um die Dinge anzugehen, die im Leben wirklich zählen.

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