Hilft es aber tatsächlich weiter? Ein Pro und Contra von Marcus Vorlop und Gerald Hüther" />
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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 15/2018
Der Inhalt:
Politik & Gesellschaft

Büffeln im Urlaub?

Sechs Wochen dauern die Sommerferien. Bayern und Baden-Württemberg stecken noch mittendrin. Wäre es nicht gut, einen Teil davon zu nutzen, um Schulstoff nachzuholen? Viele Schülerinnen und Schüler tun das, Eltern und Lehrer befördern es. Hilft es aber tatsächlich weiter? Ein Pro und Contra von Marcus Vorlop und Gerald Hüther
von Gerald Hüther, Marcus Vorlop vom 15.08.2018
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In den Sommerferien sollen Schüler Kraft tanken, aber durchaus auch Gelerntes wiederholen, meint Marcus Vorlop (links), der als Förderlehrer arbeitet. Hirnforscher Gerald Hüther findet dagegen, dass Ferien nur zum Ausschlafen, Spielen, Vereisen und einfach mal Nichtstun da sind (Fotos: privat; pa/Niehaus/Geisler-Fotopres)
In den Sommerferien sollen Schüler Kraft tanken, aber durchaus auch Gelerntes wiederholen, meint Marcus Vorlop (links), der als Förderlehrer arbeitet. Hirnforscher Gerald Hüther findet dagegen, dass Ferien nur zum Ausschlafen, Spielen, Vereisen und einfach mal Nichtstun da sind (Fotos: privat; pa/Niehaus/Geisler-Fotopres)

Marcus Vorlop: »Ja! Lernen ist auch in den Ferien sinnvoll«

»Die Schulferien sollen den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, von den Strapazen des Schulalltags Abstand zu gewinnen und neue Kraft zu tanken. Doch gänzlich ohne Bildungsinhalte sollten die sechs Wochen Sommerpause nicht verbracht werden.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 15/2018 vom 10.08.2018, Seite 8
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Lernen in den Ferien bedeutet zum einen die Möglichkeit, den Lernstoff nachzuholen, der während des Schuljahres nicht verstanden wurde. Oft können so Wissenslücken geschlossen und durch eine Teilnahme an Kursen kann die positive Selbstwahrnehmung gesteigert werden.

Für das Lernen in den Ferien zu sein, bedeutet außerdem, gegen das Vergessen anzukämpfen. Mit dem Schulranzen bei Ferienbeginn wird auch oft das Gelernte in die Ecke gestellt und erst zu Schuljahresbeginn wieder reaktiviert. Hier hat sich die Wiederholung als Lernmethode bewährt. Erfahrungsgemäß fällt es nicht wenigen Schulkindern schwer, sich Inhalte von Woche zu Woche zu merken. Gerade deshalb spricht vieles für eine Auffrischung der Lerninhalte auch während der Ferien. Dies kann zu Hause erfolgen, indem man Absprachen mit dem Kind trifft, die stressfrei ohne Wenn-Dann-Philosophie in bekannter Umgebung umgesetzt werden.

Unabhängig davon ist nicht verpflichtendes Lernen natürlich immer dann sinnvoll, wenn es vom Kind selbst gewünscht wird. Daneben sollte Lernen nicht nur auf das schulische Lernen reduziert werden. Im Zoo oder im Technikmuseum beispielsweise werden fachrelevante Inhalte auf spielerische, interessante Art vermittelt. Vor allem gilt, Maß zu halten. Der Ferienbeginn wird von den Schülerinnen und Schülern als heilig empfunden. Das sollte nicht durch strenge Lernsettings infrage gestellt werden.«

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Gerald Hüther: »Nein! Lernen für die Schule hat im Urlaub nichts zu suchen«

»Ausschlafen, Spielen, Verreisen, Nichtstun: In den Sommerferien ist Zeit für all die Dinge, die sonst zu kurz kommen. Lernen für die Schule hat da nichts zu suchen. In den Ferien lernen für Mathe oder Erdkunde, das ist in meinen Augen ein Zeichen für ein bankrottes Schulsystem. Schließlich ist die Schule ja dazu da, dass die Schüler dort lernen und nicht in den Ferien oder abends oder zu Hause oder im Nachhilfeunterricht.

Das Problem hat tiefe Ursachen. Mir als Neurobiologen ist klar: Man kann eigentlich nur dann etwas lernen, wenn man diesen Lernprozess auch selbst gestalten kann. Niemand kann einem passende Verschaltungen ins Hirn bauen; das muss man selbst tun, und deshalb kann man im Grunde genommen nur dann etwas Neues im Gehirn verankern, wenn man es auch selber will.

Wir haben ein Riesenproblem: nämlich ein Schulsystem, das verlangt, dass man an einen Ort gehen muss, um dort zu lernen, und dass dort ein Lernprogramm umgesetzt wird. Ein Programm, das sich Erwachsene ausgedacht haben, damit Kinder das lernen, was diese Erwachsenen für wichtig halten. Daran ist gleich zweierlei fragwürdig: Erstens weiß heute niemand, was in zwanzig Jahren von den dann erwachsen gewordenen Schülern gewusst werden muss, damit sie sich in ihrer Welt zurechtfinden. Und zweitens ist dieses schulische Lernen erzwungen und gleicht oft noch dem, was früher in Abrichtungs- und Dressuranstalten gemacht wurde. Wie im Zirkus, wo alle Männchen machen, wenn der Dompteur den Stock hebt! Nur, dass hier gute und schlechte Zensuren verteilt werden. Das Ergebnis ist, dass nicht viel hängen bleibt. Das führt zur Nachhilfe, auch im Urlaub. Fatal!«

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Personalaudioinformationstext:   Marcus Vorlop, geboren 1982, Studium der Archäologie an der Humboldt-Uni Berlin und tätig bei der Schülerhilfe, arbeitet als Förderlehrer bei KIDS & CO. Berlin Marzahn-Hellersdorf.
Gerald Hüther (@GeraldHuether), geboren 1951, Biologie-Studium an der Universität Leipzig, ist emeritierter Professor für Neurobiologie der Medizinischen Fakultät der Universität Göttingen. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Hirnforschung.
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Georg Lechner 19.08.2018, 16:13 Uhr:
Lernen (im Sinne von: den Verstehenshorizont erweitern) ja, büffeln: nein
Büffeln (Stoff in sich hineinstopfen, um ihn bei der Prüfung wieder irgendwie auszuscheiden) ist sowieso weitgehend wirkungslos, wie Gerald Hüther berechtigterweise anmerkt.

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