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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 21/2024
Der Inhalt:
Religion & Kirchen
Leben & Kultur

Pro und Contra
Deutsche Waffen nach Israel?

Im Krieg gegen die Hamas und die Hisbollah wünscht sich Israel Waffenlieferungen aus Deutschland. Soll die Bundesregierung die Ausfuhr genehmigen, auch wenn Israel vorgeworfen wird, Menschenrechte zu verletzen?
vom 06.11.2024
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Kriegsschiff Sa’ar 6: In Deutschland hergestellt, in Israel Teil des Raketen- Abwehrschirms Iron Dome. (Foto: pa / reuters / Ammar Awad)
Kriegsschiff Sa’ar 6: In Deutschland hergestellt, in Israel Teil des Raketen- Abwehrschirms Iron Dome. (Foto: pa / reuters / Ammar Awad)

Volker Beck: Ja!

(Foto: PA / DPA / Annette Riedl)Seit mehr als einem Jahr muss Israel sich an vier Fronten verteidigen: gegen die Angriffe der Hamas, den Raketenbeschuss der Hisbollah, die Drohnenangriffe der Huthis, die Raketen und Drohnen aus Iran. Israel wird in seiner Existenz angegriffen und bedroht. Es muss seine Bevölkerung schützen und dazu die Hamas kampfunfähig machen. Grundlage und Rahmen dieser Selbstverteidigung ist das Völkerrecht. Israel und seine Verteidigungsstreitkräfte sehen das so, die Bundesregierung sieht das auch so. Es braucht da keine Belehrungen aus Berlin, Washington oder Pretoria.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 21/2024 vom 08.11.2024, Seite 8
»Ohne Zweck, aber voller Sinn«
»Ohne Zweck, aber voller Sinn«
Die Schriftstellerin Nora Bossong über Glaube und Literatur

Israels Selbstverteidigung verdient uneingeschränkte Unterstützung, sonst bleibt das Bekenntnis zu Israels Sicherheit als deutsche Staatsräson ein leeres Wort. Der Bundessicherheitsrat hätte daher zeitnah die von Israel gewünschten Rüstungsexporte genehmigen sollen. Dass es dabei anscheinend Verzögerungen gab, war leichtfertig und könnte von Iran als Ermutigung für eine weitere Eskalation verstanden worden sein.

Anstelle europäischen Oberlehrertums wäre Selbstkritik gefragt. Nicht nur die Russlandpolitik irrlichterte seit mindestens einem Jahrzehnt und erfordert nun eine Zeitenwende; auch in der Nahostpolitik schlafwandelt Europa seit Langem.

Israel badet seit einem Jahr die Naivität des Westens und die Fehler der internationalen Gemeinschaft aus. Drei Beispiele: Der Nukleardeal 2015 ermöglichte es Iran, die eigene konventionelle Aufrüstung und die seiner Verbündeten wie der Hisbollah, der Hamas und der Huthis zu finanzieren. Seit 2006 ignorierte man zudem, dass sich die Hisbollah nicht aus dem Süden des Libanons zurückgezogen hat, wie vom UN-Sicherheitsrat beschlossen. Und dann hat die Finanzierung des Flüchtlingshilfswerks (UNRWA) für die Nachkommen der 1948 aus dem israelischen Staatsgebiet geflohenen und vertriebenen 700 000 Palästinenser die Integration dieser Menschen in den Aufnahmestaaten verhindert. In Gaza waren einige UNRWA-Mitarbeiter als Hamas-Terroristen tätig, viele Einrichtungen des Hilfswerks wurden von der Hamas als militärische Infrastruktur missbraucht. Unter dem UNRWA-Hauptquartier entdeckte Israels Armee ein IT-Zentrum der Hamas.

So wie die meisten europäischen Regierungen erst durch die neuerliche russische Aggression im Februar 2022 aufgewacht sind, sollten wir auch in Deutschland endlich verstehen, was der 7.10.2023 für die Nachbarregion im Nahen Osten tatsächlich bedeutet.

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Konrad Raiser: Nein!

(Foto: epd-bild/Stephan Wallocha)Das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 hat mehr als 1200 Menschen das Leben gekostet. Babys, kleine Kinder, tanzende Jugendliche, ältere Menschen wurden ermordet. 240 Israelis wurden als Geiseln nach Gaza entführt. Ein Pogrom, wie es jüdische Menschen seit dem Holocaust der deutschen Nationalsozialisten nicht mehr erleiden mussten.

Israel hat geheimdienstliche Warnungen vor einem geplanten Hamas-Anschlag nicht ernst genommen. Die israelische
Regierung reagierte am 8. Oktober mit der Verhängung des Kriegszustandes. Seit einem Jahr geht die israelische Armee gegen die islamistische Hamas vor. Das erklärte Ziel ist es, sie zu vernichten. Aber selbst nach der Tötung des Hamas-Anführers Yahya Sinwar bleibt es doch eine offene Frage, ob die Vernichtung dieses Gegners realistisch und durch das anerkannte Selbstverteidigungsrecht Israels gedeckt ist.

Leidtragende des rücksichtslosen israelischen Vorgehens ist vor allem die Zivilbevölkerung in Gaza. Über 40 000 Menschen sind bei Bombenangriffen ums Leben gekommen, vor allem Frauen und Kinder. Die Infrastruktur der Energie- und Wasserversorgung ist zerstört. Es gibt berechtigte Zweifel daran, ob das israelische Vorgehen noch »verhältnismäßig« im Sinne des Kriegsvölkerrechts ist.

Nach wie vor protestieren in Israel Menschen gegen die Regierung. Sie fordern einen Waffenstillstand und die Freilassung der noch lebenden Geiseln. Die von den USA und arabischen Nachbarn vermittelten Verhandlungen für einen Waffenstillstand sind blockiert, nicht zuletzt wegen verweigerter Zustimmung Israels. Inzwischen hat der Konflikt durch die israelische Reaktion auf den Raketenbeschuss durch die Hisbollah eine gefährliche Ausweitung erfahren. Umso wichtiger ist es, den noch immer erkennbaren Signalen der Bereitschaft für einen Waffenstillstand ernsthafte Beachtung zu schenken.

Dieser Krieg muss um des Lebensrechts der Palästinenser, aber auch um der Sicherheit Israels willen umgehend beendet werden. Die israelische Regierung sollte von den Verbündeten und Freunden Israels gedrängt werden, den ausgehandelten Modalitäten für einen Waffenstillstand zuzustimmen. Für die Bundesregierung heißt das, die restriktive Handhabung der Richtlinien für Rüstungsexporte in Krisengebiete beizubehalten. Sie sollte weitere Waffenlieferungen an Israel stoppen, solange die israelische Regierung sich einer politischen Regelung des Konflikts verweigert und nicht zur Anerkennung der Lebensrechte palästinensischer Menschen und ihres Rechts auf staatliche Selbstbestimmung bereit ist.

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Personalaudioinformationstext:   Volker Beck ist Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft. Von 1994 bis 2017 war er Bundestagsabgeordneter der Grünen.

Konrad Raiser, emeritierter Professor für Systematische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum, war von 1992 bis 2003 Generalsekretär des Ökumenischen Kirchenrates.
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