Die Burka verbieten?
Eva Baumann-Lerch: »Ja, denn die Burka ist ein Gefängnis«
»Die Burka ist ein Gefängnis aus Stoff. Frauen, die in so einem Ganzkörperschleier stecken, haben keine Identität und kein Gesicht und sind deshalb von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen. Ohne Mimik und Blickkontakt bleibt ihre Kommunikation schwer eingeschränkt, sie nehmen die Welt nur durch ein Gitter wahr. Deshalb ist es richtig, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Verbot der Burka bestätigt hat.
Die Totalverschleierung eröffnet fundamentalistischen Männern, die ihre Frauen von der Welt isolieren wollen, Tür und Tor. Wenn aber Menschen in ihrer Freiheit behindert werden, darf eine demokratische Gesellschaft das nicht hinnehmen – auch nicht aus Rücksicht auf religiöse Motive. Ähnlich wie bei Kindern, die in Sekten mit Verweis auf die Bibel verprügelt werden, muss ein freiheitlicher Staat einschreiten, wenn elementare Rechte von Frauen beschnitten werden. Das gilt auch dann, wenn die Betroffenen sich selbst mit der Beschränkung arrangiert oder identifiziert haben.
Das Burkaverbot ist aber auch für die Gesellschaft wichtig. Eine Demokratie gründet auf der Kommunikation ihrer Mitglieder, sie ist existenziell angewiesen auf den Austausch von Angesicht zu Angesicht. Gute Nachbarschaften, lebendige Dorf- und Stadtgemeinschaften, vertrauensvolle Räume können nur dort entstehen, wo alle Beteiligten ein Gesicht haben. In einer Welt, wo nicht nur Frauen in Burkas, sondern auch andere Gruppen – etwa Rechtsradikale oder Hooligans – vermummt durch die Gegend laufen, will niemand leben.
So wie eine muslimische Kultur, etwa in Nordafrika, zu Recht von westlichen Besucherinnen erwartet, dass sie ihr Empfinden nicht mit Spaghettiträgern und Hotpants verletzen, kann Europa von Zuwanderinnen erwarten, dass sie den Schleier aus dem Gesicht nehmen.«
Publik-Forum EDITION
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Britta Baas: »Nein, dieses Verbot ist frauenfeindlich«
»Wir bilden uns viel ein auf unsere zivilisierte westliche Welt. Bei uns sind Frauen emanzipiert, Männer kultiviert, und allesamt sind wir enorm tolerant. Jeder kann nach seiner Façon selig werden, nur darf er dabei nicht die anderen stören. Dieses Selbstbestimmungsrecht ist uns heilig.
Unsere Toleranz kommt freilich an Grenzen. Wir halten Männer mit langen Bärten aus, Priester in weit schwingenden, bunten Gewändern und seltsamen Käppchen auf dem Kopf. Wir finden es auch in Ordnung, öffentlich viel nackte Haut zu zeigen. Nur eines können wir offenbar nicht akzeptieren: dass es in Westeuropa wenige Hundert Frauen gibt, die mit Burka auf die Straße gehen.
Dass das Recht auf Teilhabe am öffentlichen Leben auf Frankreichs Straßen nicht für vollverschleierte Frauen gilt, müsste uns Europäer eigentlich zutiefst beschämen. Burka-Trägerinnen, die vor die Tür gehen, müssen mit Geldstrafen rechnen – und im Wiederholungsfall mit mehrmonatiger Haft. Es ist eine Schleier-Haft, in die sie genommen werden. Die laizistische Gesellschaft Frankreichs entledigt sich auf diese Weise des Fremden und Provozierenden, das von Burka-Trägerinnen ausgeht. Und auch wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Burka-Verbot nun bestätigt hat, ist dieses Verbot ein Akt staatlicher Gewalt, der niemandem hilft. Denn die erzwungene Entschleierung kann und wird als eine Verletzung von Frauenrechten interpretiert werden. Sie ruft Widerstand hervor – nicht das Ende der Burka.
Frauen, die dieses Kleidungsstück freiwillig tragen, werden es nur wegen des Verbots nicht zu hassen beginnen. Frauen, die unter die Burka gezwungen werden, bleiben nun in ihre Wohnungen eingesperrt. Und alle anderen sind die Provokation nicht deshalb los, weil sie hinter dicke Wände verbannt ist. Sie ist uns nur aus den Augen.«
Britta Baas, geboren 1965, ist Redakteurin im Ressort »Religion und Kirchen« und verantwortliche Redakteurin für Publik-Forum.de
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ernst güntschl 26.07.2014:
mit der toleranz wird nur gespielt und der tolerante mensch verlacht.
wollen sie wirklich mit hitler und seinen geistesverwandten tolerant sein?
der hat sich auch amüsiert über die toleranz!
Heiderose Hesse 16.07.2014:
Meine Enttäuschung über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das das Burka-Verbot in Frankreich bestätigte, war groß. Deshalb bin ich sehr froh über das "Contra" von Britta Baas, das die Gründe für eine Toleranz der Burka überzeugend formuliert.
Toleranz kann nicht nur verbal gelten, sie muss auch in der Praxis gelebt werden.
Die "Pro und Contra"- Beiträge von Publik Forum sind für mich übrigens immer wieder eine gute Meinungsbilduns- undn Diskussionshilfe und zeugen von Fairness.
Hanna Leinemann 13.07.2014, 08:54 Uhr:
@Britta Baas: Wer Menschen, die stehlen, unter Androhung von Haft das Stehlen verbietet, der sperrt sie ein - Ihre Begründung für das Einsperren von Frauen, die eine Burka tragen, greift einfach zu kurz. Das Einsperren geschieht weit vor dem Verbot für den öffentlichen Raum. Das Einsperren der menschlichen Seelen in solchen Familien läßt jede Toleranz vermissen, fordert aber grenzenlose Toleranz von der Gesellschaft, in der sie leben wollen. Das paßt nicht. -
Britta Baas 12.07.2014, 22:15 Uhr:
@gritvonwoedtke, eher wird wohl so ein Schuh draus: Wer Frauen mit Burka den öffentlichen Raum unter Androhung von Haft verbietet, DER sperrt sie ein.
Hanna Leinemann 12.07.2014, 21:38 Uhr:
Sicher ist uns die Provokation einer Burka tragenden Frau nicht mehr vor Augen, wenn diese Frau hinter dicke Wände verbannt wurde. Aber warum provoziert sie denn und wozu - und wer verbannt sie? - Sie will in der westlichen Gesellschaft leben; es ist mir schleierhaft, warum ich von ihr nicht die Toleranz erwarten darf, sich dann auch in dieser Gesellschaft, in der ihr die Frauen unvermummt entgegenkommen, nicht zu vermummen, also auf gleicher Ebene zu kommunizieren? - Im übrigen sollte man sich einmal über die Umstände, die zu Burka, Niqap etc. geführt haben, genau informieren. Sie sind kein Gebot Allahs. -
Grit von Woedtke 12.07.2014:
Frau Eva Baumann-Lerch hat in allen Punkten recht! Wer die Burka erlaubt oder toleriert, billigt auch Sklaverei, denn es ist nur ein winziger Schritt von dem Unkennntlichmachen einer Person hin zum Drüberwegsehen über einen Menschen, weil dieser nur als Arbeitsgerät existiert.
Und es ist eine unglaubliche Frechheit und auch Dummheit, eine Bartmode mit einer Burka zu vergleichen! Auch ist das Ende des Tabus hinsichtlich der vielmals öffentlich presentierten nackten Haut in Europa nun einmal zwar ein Fakt, deswegen aber noch lange keine kulturelle Errungenschaft (davon sind vermutlich noch nicht einmal die Redakteure von Praline und Co. überzeugt).