Pro und Contra
Flugverbot für kurze Strecken?
Lena Donat: Ja!
Verbote sind unpopulär. Viele sehen darin Verzicht oder sehen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt. Wenn es doch nur so einfach wäre!
Nehmen wir die Hochwasserkarten, die nach den jüngsten Überschwemmungen Konjunktur haben. Sie zeigen, wo künftig häufiger auftretende Starkregen Schäden anrichten könnten. Versicherungen verzeichnen auf solchen Karten Gebiete, in denen sie keine Häuser mehr versichern. Die Klimakrise schränkt also künftig die freie Wahl des Wohnortes ein. Sie beschränkt auch den Bewegungsradius von älteren Menschen und Kleinkindern, die bei Temperaturen um die 40 Grad aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vor die Tür gehen können. Weil die Folgen der Klimakrise uns morgen und übermorgen fundamentale Freiheiten nehmen werden, müssen die Treiber dieser Krise heute beschränkt werden. Kurzstreckenflüge gehören dazu.
Keine Fortbewegungsart heizt den Klimawandel stärker an als das Fliegen. Ein Flug verursacht auf der gleichen Strecke gut zehn Mal mehr Treibhausgase als eine Bahnfahrt. Nach New York fährt kein Zug, sagen manche. In viele europäische Metropolen aber schon, könnte man entgegnen. Von den 250 am häufigsten geflogenen europäischen Strecken lässt sich rund ein Drittel durch klimaschonende Zugfahrten in weniger als sechs Stunden ersetzen. Von Berlin aus ist man mit dem Zug in sechs Stunden in Amsterdam, von Frankfurt in drei Stunden in Paris. Trotzdem fliegen diese Strecken insgesamt jedes Jahr mehr als eine Million Menschen.
Sie tun das auch, weil Fliegen absurderweise in den allermeisten Fällen deutlich billiger ist, als den Zug zu nehmen. Fluggesellschaften drücken sich seit Jahren erfolgreich vor vielen Abgaben, die Bahnreisende wie selbstverständlich zahlen. Eine Angleichung der Steuern und Abgaben auf Flug- und Bahntickets würde das Fliegen zwar deutlich verteuern, aber Wohlhabende und Dienstreisende wohl kaum vom Fliegen abhalten. Auch deshalb sollten klimaschädliche Kurzflüge auf Strecken, die heute schon bequem mit der Bahn zurückgelegt werden können, verboten werden.
Nicht jede Flugreise in Europa kann ohne Weiteres mit dem Zug zurückgelegt werden. In vielen Ländern, auch in Deutschland, wurde das Schienennetz in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt. Grenzüberschreitende Direktzüge, etwa via Nachtzug, gibt es viel zu wenig. Aber wir dürfen nicht warten, bis diese Versäumnisse korrigiert werden. Flugverbindungen, für die es eine komfortable Bahnalternative gibt, sollten schon heute gestrichen werden. Das hilft dem Klima, stärkt die Verkehrswende und sichert unsere zukünftige Freiheit. Worauf warten wir?
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Lukas Köhler: Nein!
Zunächst ist klarzustellen: Die Wirkung eines solchen Verbots wäre in Deutschland minimal. Es gibt kaum Inlandsflüge, deren Strecke in unter 2,5 Stunden mit der Bahn zurückgelegt werden kann. Ein Verbot würde also das Reiseverhalten der Menschen nicht ändern und lediglich als symbolischer Akt politischer Selbstinszenierung dienen.
Ein europaweites Verbot von Kurzstreckenflügen ist aber ganz grundsätzlich völlig überflüssig und ineffektiv. Warum? Weil die CO2-Emissionen des innereuropäischen Flugverkehrs bereits im EU-Emissionshandel abgedeckt sind. Dieser Handel begrenzt die Gesamtemissionen und verpflichtet Fluggesellschaften, für jede ausgestoßene Tonne CO2 Zertifikate zu erwerben. Die Emissionszertifikate sind begrenzt und werden jährlich den EU-Klimazielen entsprechend reduziert. Somit führt jeder Kurzstreckenflug nicht zu zusätzlichen Emissionen. Stattdessen müssen die Emissionen, die durch einen Kurzstreckenflug entstehen, an anderer Stelle eingespart werden, etwa durch den Verzicht auf Kohleverbrennung. Daher würde ein Kurzstreckenflugverbot lediglich bedeuten, dass Mehremissionen in anderen Wirtschaftsbereichen wieder attraktiver werden.
Schließlich sollten wir uns fragen, ob Verbote überhaupt das richtige Mittel sind. Klimaschutz erfordert keine symbolischen Maßnahmen, sondern durchdachte und effektive Lösungen. Anstatt Verbote zu erlassen, sollten wir auf nachhaltige Technologien und Infrastrukturen setzen. Der Ausbau des Schienenverkehrs, die Modernisierung der Züge und die Verbesserung der Anbindung sind entscheidend, um den Zubringerverkehr zu internationalen Luftfahrthubs stärker auf die Schiene zu verlagern. Wenn wir den Bahnverkehr so attraktiv und effizient gestalten, dass die Menschen freiwillig umsteigen, erreichen wir unser Ziel ohne Zwang.
Auch technologische Innovation im Luftverkehr darf nicht behindert werden. Emissionsärmere Flugzeuge und klimafreundliche Flugkraftstoffe setzen sich langsamer durch, wenn die Branche unnötig reglementiert wird. Diese Innovationen leisten aber langfristig den entscheidenden Beitrag dazu, dass die Luftfahrt komplett klimaneutral wird.
Zusammengefasst: Ein europaweites Verbot von Kurzstreckenflügen wäre reine Symbolpolitik, die kein Gramm CO2 einsparen würde. Wir brauchen vielmehr eine Erweiterung des Emissionshandels, damit dieser auch andere Emissionen des Flugverkehrs umfasst. Für echten Klimaschutz braucht es daher klimafreundliche Innovationen und keinen selbstgerechten Aktionismus.
Lena Donat ist Campaignerin im Team Mobilität und Transport bei Greenpeace.
Lukas Köhler ist stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag.
Friedel Dehn 26.07.2024:
Warum gibt Publik-Forum dem stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Bundestag, Lukas Köhler, so viel Raum, um seine kruden Ideen breitzutreten? Sein Märchen, der EU-Emissionshandel würde die Schäden des Flugverkehrs abdecken, ist unwahr und widerspricht der eingeschränkten Lenkungswirkung des Emissionshandels. Emissionsberechtigungen wurden zum Teil kostenlos ausgegeben, die Nutzung von Gutschriften und wenig ambitionierte Obergrenzen lassen die Aussage, »jeder Kurzstreckenflug« führe »nicht zu zusätzlichen Emissionen«, als Ablenkungsmanöver erscheinen. Verbote scheinen für die FDP ein Schimpfwort zu sein. Und doch brauchen wir sie für ein geordnetes Zusammenleben. 1991 wurden Fluorchlorkohlenwasserstoffe verboten, und das Ozonloch hat sich seitdem erholt. Genauso braucht es ein Kurzstrecken-Flugverbot.
Markus Müller, Karlsruhe-Rüppurr 07.07.2024, 21:27 Uhr:
Nach den Berechnungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) hat Deutschland sein faires CO2 Budget für die +1.5°C im Frühling 2024 aufgebraucht (bei 50 % Risiko und Nicht-Einberechnung der historischen Schuld. Quelle: https://klimadashboard.de/emissionen/co2-budget )
Damit gehören ab sofort sämtliche fossilen CO2-Emissionen verboten! Wirklich krass, aber wahr! Die Wissenschaft hatte Jahrzehnte vor dieser Situation gewarnt und Pfade eines sanften Ausstiegs aufgezeigt.
Was gibt uns das Recht, die Lebensgrundlagen unserer Kinder und anderer Völker zu zerstören?
Für die Fälle, die noch nicht anders als mit fossilen Emissionen gelöst werden können, muss es halt Ausnahmegenehmigungen geben, sofern der Antragsteller nachprüfbar nachweisen kann, dass er bereits dafür gesorgt hat, dass zum Ausgleich seiner zusätzlichen Emissionen bereits an anderer Stelle für ihn und auf seine Kosten Emissionen irreversibel, sozial verträglich und SDG-kompatibel eingespart wurden.
Reiner Neises 02.07.2024, 06:02 Uhr:
Auf dem Papier gibt es den EU-Emissionszertifikatehandel für den Flugverkehr seit 2012. Gebracht hat es bislang nichts. Daran ändert das realitätsfremde neoliberale Gerede des FDP-Politikers nichts. Solange das mit Abstand klimaschädlichste Verkehrsmittel in Deutschland Jahr für Jahr mit zweistelligen Milliardenbeträgen subventioniert wird (laut Umweltbundesamt im Jahr 2018 mit 12,5 Milliarden (!), mittlerweile mindestens 14 Milliarden Euro), wird sich auch nicht viel ändern. Dabei ist die FDP doch die Partei, die in Sonntagsreden immer für Subventionsabbau eintritt…
Reiner Neises
Reiner Neises 02.07.2024, 06:00 Uhr:
In der Logik von Herrn Köhler dürften und müssten alle möglichst viel und möglichst lang fliegen, damit der CO2-Ausstoß und das Fliegen schnell teurer wird. Dumm nur, dass die CO2-Emssionen hundert Jahre in der Atmosphäre bleiben und den Planeten aufheizen. Und dumm nur, dass dann auch alles andere teurer wird, was – anders als in aller Regel das Fliegen, bei dem mehr als 80 Prozent reine Urlaubs- und Vergnügungsreisen sind – dringend gebraucht wird.
Reiner Neises
Stefan Brückmann 28.06.2024, 17:34 Uhr:
Das Argument, es gäbe in Deutschland kaum Inlandsflugstrecken, die kurz genug sind, zeigt nur, dass die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Verbietet man Inlandsflüge generell lohnt es sich durch aus. Was sich nicht lohnt ist die Zeitersparnis bei Inlandsflügen, wenn man bedenkt, dass man erst zum Flughafen und dort zeitaufwendige Sicherheitskontrollen und das einchecken erledigen muss.
Das man die Bahn attraktiver machen soll, dass sich die Menschen von sich aus dafür entscheiden hört sich wie ein gutes Argument an, aber ist typisch für ihre Partei, weil sie genau das Gegenteil tun um die kaputt gesparte Bahn zu sanieren. Gerade wurde gemeldet, dass eine 1 Milliarde Euro von der Bahn zur Straße umgeschichtet werden soll, statt die Ausgaben für die Bahn zu erhöhen. Wie wollen sie denn die Attraktivität der Bahn erhöhen? Das wäre doch mal ein zielführender Beitrag.
Der Verkehrsminister verstößt gegen Gesetze der Vorgänger Regierung und was tun sie, sie ändern das Gesetzt.